Das Ende

Lassalle hatte in seinen beiden letzten Jahren die junge Helene von Dönniges  kennen und lieben gelernt, die allerdings mit ihrer Jugendliebe Janko von Racowitz verlobt war. Er reiste ihr in die Schweiz nach, wo Helene inzwischen ihre Eltern über ihre geplante Ehe mit Lassalle unterrichtet hatte, was im Hinblick auf seinen für potenzielle Brauteltern eher schillernden Ruf auf blankes Entsetzen stieß. Helene traf noch einmal mit ihm zusammen und suchte ihn zu gemeinsamer Flucht zu überreden. Lassalle stimmte jedoch nicht zu, sondern plante stattdessen,  bei den Eltern mit einem formellen Antrag um Helene zu werben, und baute wohl auf die unwiderstehliche Kraft seiner Argumente. Der Vater aber schottete Helene komplett gegen Lassalle ab, so dass dieser den juristischen Weg mit der Begründung Sequestration verbunden mit möglicher Körper­verletzung einschlug, was den Skandal letztlich öffentlich machte. Unter dem Druck ihres Vaters beendete Helene schließlich die Liaison mit Lassalle.[27]

AGrabstein in Breslau, 2003ls Lassalle erfuhr, dass Helene inzwischen anderen Sinnes geworden war, sah er in offenbar blinder Wut nur den Weg der Rache. Er schrieb einen Brief, in dem er Vater, Tochter und Verlobten grob beleidigte. Wie erwartet, antwortete Dönniges (Corps Rhenania Bonn) mit der Duellforderung, die Lassalle annahm.[28]  Dönniges ließ sich durch seinen gewünschten Schwiegersohn Racowitz (Corps Neoborussia Berlin) vertreten. Das Duell fand am 28. August 1864 in einem Wäldchen bei Carouge nahe Genf statt. Racowitz feuerte zuerst und verletzte seinen Gegner schwer. Drei Tage später verstarb Lassalle im Hospital von Carouge. Er wurde auf dem alten jüdischen Friedhof seiner Heimatstadt Breslau bestattet.

1858 stand Lassalle übrigens schon einmal in Berlin vor einem Duell, als ein Intendanturrat Genugtuung forderte, weil er sich durch Lassalles angeblich aufreizendes Selbstbewusstsein beleidigt fühlte. Lassalle lehnte ab, daraufhin überfiel der Intendanturrat im Tiergarten Lassalle und es kam zu einer Prügelei. Lassalle war zutiefst getroffen und überlegte mit Marx, ob er nicht seinerseits fordern sollte. Allerdings stimmten beide überein, dass das Duell für ein unsinniges Petrefakt[29] einer überwundenen Kulturstufe zu gelten habe und mit den Prinzipien einer demokratischen Partei nicht zu vereinbaren sei. Marx räumte allerdings in Ausnahmefällen durchaus die Berechtigung des Duellwesens mit dem Satz ein: „Indes bringt es die Einseitigkeit der bürgerlichen Gesellschaft mit sich, dass im Gegensatz zu derselben gewisse feudale Formen der Individualität ihr Recht behaupten.“[30]

   


[27] Na’aman, Lassalle, S. 763.

[28] AaO., S. 764.

[29] Lassalle, Brief an Marx vom 4. 6. 1858, in: Ferdinand Lassalle. Nachgelassene Briefe und Schriften, hrsg. von G. Mayer, Bd. 3 (FN 16), S. 128; sowie in: MEGA, Abt 3: Briefe, Bd. 9 (FN 16), S. 160.

[30] Marx, Brief an Lassalle vom 10. 6. 1858, in: Ferdinand Lassalle. Nachgelassene Briefe und Schriften, hrsg. von G. Mayer, Bd. 3 (FN 16), S. 130; sowie in: MEGA, Abt 3: Briefe, Bd. 9 (FN 16), S. 168.