Dieter Haak

Dieter Haak

geb. am 18. März 1938 in Breckerfeld, gest. am 10.Mai 2012 in Cork/Irland

Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag NRW, Landesminister in NRW

Tübinger und Bonner Wingolf

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Eine„Mischung aus Dompteur, Psychotherapeut, Moderator und Antreiber“ sei er gewesen, so beschrieb ihn Johannes Rau, sein Freund und Ministerpräsident: Dieter Haak, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Landtag, später Fraktionsvorsitzender und schließlich Minister [1]für Bundesangelegenheiten und Justizminister von Nordrhein-Westfalen und von 1979 bis 1986 Beisitzer im SPD-Bundesvorstand.

Dieter Haak war Halbwaise, sein Vater, ein Bergmann, war im Frühjahr 1945 an Silikose (Steinstaublunge) verstorben. So wuchs er mit seinem Bruder in einer für diese Zeit kriegsbedingt typischen Familie auf: ohne Vater, mit Mutter und Großmutter. Wohl auf den großmütterlichen Einfluss ist seine konservative Grundhaltung zurückzuführen. Als Kind erlebte er die sogenannte „schlechte Zeit“, die Nachkriegszeit, die geprägt war von Unterversorgung und Hunger. Als hübscher Junge, der zudem „gut reden konnte“, wurde er beim „Hamstern“ gerne vorgeschickt, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit wuchs, dass die Bauern von ihren Vorräten etwas abgaben.

In den 50er Jahren war er Schulsprecher am Gymnasium in Hagen und aktiver Mitarbeiter im CVJM. Damals gründete er mit einem Freund einen Posaunenchor, obwohl beide gar kein Instrument spielen konnten. Er sang im Kirchenchor seiner Gemeinde. In der Kirche und später auf den Kneipen seiner Verbindungen wurde seine tragende Gesangsstimme geschätzt. Seine religiöse Grundhaltung als praktizierender Protestant war bestimmend für sein gesamtes Leben und auch die Grundlage für sein politisches Wirken.

Nach dem Abitur 1957 studierte Dieter Haak Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Tübingen und Bonn. An beiden Studienorten wurde er Mitglied des Wingolfs. Fünf Semester Aktivenzeit in seinen Verbindungen hinderten ihn nicht, schon 1962 als 23jähriger die erste juristische Staatsprüfung abzulegen. Danach schloss er ein Studium an der Verwaltungshochschule in Speyer an, das er als Jahrgangsbester beendete. 1963 wurde er mit der Arbeit „Die Grundrechtsbindung des Staates bei der Vergabe öffentlicher Aufträge“ promoviert. Nach dem Referendariat beim Land Nordrhein-Westfalen legte er 1965 die zweite juristische Staatsprüfung ab. Von 1965 bis 1967 war er Wissenschaftlicher Assistent an den Universitäten Bonn und Regensburg und 1968 bis 1970 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen.

Nach seinem SPD-Eintritt 1962 wurde Dieter Haak in seinem Wohnort Hagen Juso-Vorsitzender und 1969 Mitglied des Rates, dem er bis 1975 angehörte. Von 1970 bis 1983 war er stellvertretender Vorsitzender und bis 1985 Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hagen. 1970 zog er für den Wahlkreises Hagen II in den nordrhein-westfälischen Landtag ein. Bei allen fünf Landtagswahlen von 1970 bis 1990 wurde er direkt gewählt, bis er sich 1995 aus der aktiven Politik zurückzog. Die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag machte ihn 1973 zum Parlamentarischen Geschäftsführer und 1975 zum Fraktionsvorsitzenden; dieses Amt hatte er bis 1980 inne. Oft berichtete er vom täglichen Ringen um die Regierungsmehrheit im Düsseldorfer Landtag in den siebziger Jahren. Mit nur einem Sitz Mehrheit war die SPD/FDP-Koalition durch mögliche Abweichler aus den eigenen Reihen stets gefährdet. Er lobte aber auch die konstruktiv-pragmatische Zusammenarbeit in den Ausschüssen sowie den anständigen Umgang mit dem politischen Gegner; politische Gegnerschaft hieß für ihn nicht Feindschaft. Die Zeit als Fraktionsvorsitzender nannte er die schönste Zeit seines politischen Wirkens. Oft sagte er, das Volk umjubele den Minister, aber die Rolle des Fraktionsvorsitzenden, der in allen Ministerien mitrede, sei den wenigsten bewusst.

Als potenziellen Nachfolger des scheidenden Ministerpräsidenten Heinz Kühn favorisierte Dieter Haak 1978 nicht den später siegreichen Johannes Rau, sondern den unterlegenen Kandidaten Dieter Posser. Mit der Wahl von Johannes Rau konnte er aber sehr gut leben, und er unterstützte diesen in jeder Beziehung. Diese Sicht spiegelte die einvernehmliche Haltung der gesamten Fraktion wider. Im Kabinett saßen u.a. die Genossen Friedhelm Fahrtmann (Königsberger Burschenschaft Gothia zu Göttingen) und Rolf Krumsiek (SBV Teutoburg Münster und Burschenschaft Germania Göttingen im SB). Ministerpräsident Johannes Rau berief Dieter Haak 1980 als Minister für Bundesangelegenheiten in sein Kabinett, von 1983 bis 1985 war Haak Justizminister. In dieser Funktion kommentierte und veränderte er vom ersten Tage an die Inhalte, welche die Ministerialbürokratie erarbeitet und er als Minister eigentlich nur politisch zu vertreten hatte. Stets hob er hervor, welch hochkarätige „Mannschaft“ (er liebte diese maritime Metapher) an fähigen Juristen im Düsseldorfer Justizministerium damals tätig war. Als Justizminister hatte er einen erhöhten Sicherheitsstatus, nachdem er entschieden hatte, die in NRW inhaftierten, im Hungerstreik befindlichen RAF-Terroristen zwangsernähren zu lassen; dadurch war er auf der Abschussliste der RAF weit nach oben gerutscht.

Zu seinen größten politischen Erfolgen zählte Dieter Haak zum einen die Sicherung des Feldmühlestandorts in Hagen-Kabel, was den Erhalt von 2.000 Arbeitsplätzen bedeutete, dann den industriellen Ausbaus des Lennetals, bei dem er sich zusammen mit dem NRW-Innenminister Willi Weyer (FDP) große Verdienste erwarb, und nicht zuletzt die Gründung der FernUniversität Hagen. Anlässlich seines 70. Geburtstags schrieb die „Westfalenpost“, Dieter Haak sei einer der „Väter“ der FernUniversität, für die er sich seit 1974 eingesetzt hatte. Nach seinem Tod schrieb die FernUniversität auf ihrer Internetseite: „Ohne sein entschiedenes Eintreten an der Seite des damaligen NRW-Wissenschaftsministers Johannes Rau für die Stadt Hagen als ihr Standort wäre es zweifelhaft, ob die einzige deutschsprachige staatliche Fernuniversität hier entstanden wäre.“

Ende der 70er Jahre kam es zu einer innerparteilichen Auseinandersetzung über die Technologie der Kohleverflüssigung, über die sich Dieter Haak gründlich informiert hatte. In einem Zeitungsinterview hatte er erklärt, er sehe keine wirtschaftlich rentable Möglichkeit, eine Großanlage für Kohleverflüssigung zu betreiben. Damit hatte er sich die Feindschaft des Oberbürgermeisters von Dortmund, der „Herzkammer der Sozialdemokratie“, zugezogen, weil Dortmund als Standort für eine solche Großanlage vorgesehen war. Daraufhin zitierte ihn Herbert Wehner, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, nach Bonn, wo er sich vor Bundeskanzler Helmut Schmidt rechtfertigen sollte. Die zum Teil heftige verbale Auseinandersetzung endete schließlich mit einer sachlichen Erörterung und mit einem für beide Seiten akzeptablen Ergebnis. Die Technologier der Kohleverflüssigung kam in Deutschland nicht über ein Versuchsstadium hinaus. In den folgenden Jahren unterstützte Dieter Haak die Politik von Helmut Schmidt in allen Punkten. Insbesondere den NATO-Doppelbeschluss hielt er für richtig, und Schmidts Position trug er deshalb aus voller Überzeugung mit. Er war überzeugter Anhänger des Seeheimer Kreises. Genossen anderer Strömungen respektierte er zwar menschlich, aber vor allem sehr linke Positionen nannte er oft „Spinnerei“.

Weil er den Beruf als Politiker nicht als sicher ansah, trat er 1978 formal als Rechtsanwalt in die Kanzlei eines Jugendfreundes ein. Er hoffte, damit einen schnelleren Neustart zu schaffen, falls es politisch mal „schief gehen sollte“. Aufgrund der Verwicklung der Kanzlei in einen Betrugsskandal, an dem er jedoch nicht beteiligt war – wie die Bochumer Staatsanwaltschaft erklärte, bestand gegen Dieter Haak „nicht der Hauch eines Verdachts“ - , trat er 1985von seinem Ministeramt zurück. Sein Mandat als Landtagsabgeordneter behielt er bis 1995. Nach der Wiedervereinigung erfuhr Dieter Haak, dass die Stasi mindestens im Zeitraum von 1979-1985 alle seine privaten und dienstlichen Telefonanschlüsse abgehört hatte. Er verzichtete jedoch darauf, die Unterlagen einzusehen.

Zweimal lehnte er das Bundesverdienstkreuz für seine politische Tätigkeit ab mit der Begründung: „Ich bin Berufspolitiker. Warum bekommt der Maschinenschlosser oder der Bergmann kein Bundesverdienstkreuz für seinen Beruf? Ich verleihe es gerne, nehme es aber nicht an. Wenn ich einem Ertrinkenden das Leben retten würde, könnte ich darüber nachdenken.“ Grundsätzlich stand er Ehrungen seiner Person misstrauisch gegenüber, weil er dadurch seine Objektivität als gefährdet ansah. Anfang der 80er Jahre trug ihm die Universität Bielefeld eine Ehrenprofessur an, die er jedoch ablehnte. Diese Entscheidung hat er später bedauert, weil er gerne die eine oder andere Lehrveranstaltung gehalten hätte, um aus seinem politischen Leben zu berichten. Selbstkritisch bezeichnete er diese Ablehnung Jahre später als unangemessene Arroganz.

1995 zog sich Dieter Haak aus der Landespolitik zurück und praktizierte als Anwalt und Notar. Als Ruheständler wandte er sich einem lange vernachlässigten Interessensgebiet zu: dem Studium theologischer Fragen. Im Mai 2012 verstarb er überraschend auf einer Urlaubsreise in Irland.

 

Quellen:

Bundesvorstand Lassalle-Kreis: Wir trauern um Dr. Dieter Haak, http://www.lassalle-kreis.de/content/meldungen, abgerufen am 27. 02. 2016

Dapprich, Gerd, Dr. Dieter Haak verstorben, in: FernUniversität Hagen, Aktuelles Mai 2012, https://www.fernuni-hagen.de/universitaet/aktuelles/2012/05/16-pl-dieter-haak-verstorben.shtml, abgerufen am 27. 02. 2016

Haak, Dieter, Erinnerungen an meinen Vater, unveröffentlichtes Manuskript 2015

Landtag NRW, Archiv: Detailansicht des Abgeordneten Dr. Dieter Haak, https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/Webmaster/GB_I/I.1/Abgeordnete/Ehemalige_Abgeordnete/details.jsp?k=00058, abgerufen am 27. 02. 2016

SPIEGEL, 21. 01. 1985: Die Piranhas, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13512036.html, abgerufen am 28. 02. 2016

Tuschhoff, J., Einer der „Väter“ der Hagener FernUniversität, http://www.derwesten.de/wp/staedte/hagen/einer-der-vaeter-der-hagener-fernuniversitaet-id1541528.html, abgerufen am 27. 02. 2016

Weiß. Erwin, Dr. jur. Dieter Haak (T57, Bo58) zum 70.Geburtstag, in: Tübinger Blätter 2009, S. 18

 

Verfasser: Manfred Blänkner, Hamburger und Göttinger Wingolf