Zehnter Brief

Lieber Florian,

nun ja, den Mailwechsel könnten wir bald veröffentlichen – als Pro- und Kontradiskussion. Ich gehöre zwei nichtschlagenden Bünden an. Daher verfechte ich die Mensur nicht mit so viel Herzblut wie den Männerbund. Ich lehne die Mensur aber auch nicht so strikt ab, wie ich das zum Teil von Bundesbrüdern gewohnt bin. Ich halte die Mensur eher für eine langlebige Tradition, an der festhalten mag, wer es möchte – auch wenn ich selber doch lieber im akademischen Wortgefecht die Klingen kreuzen möchte. Es gibt andere „Erziehungsmittel“ als die Mensur.

In einem Punkt bin ich dann doch „unheilbar“ liberal: In den gesellschaftlichen Bereich sollte die Politik und auch eine Partei wie die Sozialdemokratie nur äußerst begrenzt eingreifen. Ob es Männerbünde weiterhin geben soll, hat sich im freien gesellschaftlichen Diskurs zu regeln. Dies würde auch dann gelten, wenn Männerbünde immer noch einen größeren politischen Einfluss hätten. Eine Gesellschaft verliert an Vitalität, Lebenskraft und Vielfalt, wenn wir den gesellschaftlichen Bereich nach politischen Ideen – welchen auch immer – zu steuern versuchten.
Zumal ich in einem Punkt einen deutlichen Unterschied in unserer beider Argumentationen sehe: Für mich sind Verbindungen in erster Linie akademisch orientierte, lebenslang angelegte Freundschaftsbünde – und als solche sollten sie nicht politisch als Karrierenetzwerke funktionalisiert werden. Das macht nicht die Mitte ihres Charakters aus. Freundschaftsbeziehungen entziehen sich aber der politischen Steuerung, dies mag auch vielfach der eigentliche Grund für die oft sehr aggressiv geäußerten Vorbehalte linker Korporationsgegner sein. Überall dort, wo es um geistig-sittliche Zwecke geht, eben auch Freundschaft, besitzen Staat und Politik nur eine geringe Wirksamkeit. Denn politisch gesteuerte Freundschaftsbande lösen sich als solche auf. Mag sein, dass viele solche Bande nicht mehr brauchen und sich lieber über soziale Netzwerke verbinden – das mag jedem selbst überlassen bleiben. Ich halte die sozialen Netzwerke im Web 2.0 für flüchtig und wenig tragfähig.

Freundschaftsbeziehungen unter Männern wie unter Frauen haben eine lange kulturhistorische Tradition – das reicht weiter zurück als bis ins neunzehnte Jahrhundert. Wir sollten dieses kulturhistorische Erbe nicht durch ein Übermaß politischer Steuerung gefährden, unsere spätmoderne Gesellschaft würde dadurch nicht lebenswerter.

 

Herzliche Grüße und alles Gute

Dein Axel Bernd Z! Z!