Wilhelm (Willy) Aron, Justizreferendar und erstes Bamberger Opfer des Nationalsozialismus

  • geb. am 3. Juni 1907 in Bamberg, ermordet am 19. Mai 1933 in Dachau
  • mit 14 Jahren in Bamberg Eintritt in die Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ)
  • im Wintersemester 1925/26 in Würzburg Aufnahme als Fuchs in die paritätische Studentenverbindung Wirceburgia (Burschenbundsconvent)


Politischer Werdegang
"Wenn man heute in Bamberg der Opfer des Nazismus gedenkt, dann ist an erster Stelle ein
Name zu nennen - Willy Aron. Er war der erste Bamberger, der im Kz. Dachau sein Leben
für Recht und Freiheit lassen mußte." (Georg Grosch, 1947) - Willy Aron, Sohn des jüdischen
Justizrates Albert Aron und dessen Frau Berta (beide starben später ebenfalls im
Konzentrationslager), engagierte sich in der jüdischen und sozialistischen Jugendbewegung.
Nicht zuletzt die Nationalsozialisten verspotteten Aron, der auch als Student und
Justizreferendar ein aktiver Funktionär der Bamberger SAJ blieb, als
"Stehkragenproletarier". Er hielt Bildungsveranstaltungen, nahm an Wanderungen und
Jugendtagen teil.

Schon früh geriet der kämpferische Jungsozialist ins Visier der Nationalsozialisten. Hierzu
beigetragen hatte nicht zuletzt, dass Aron im Prozess um die sogenannte "Schlacht am
Schillerplatz", eine von den Nazis am 31. Juli 1932 initiierte Massenschlägerei, die
Verteidigung mehrerer Sozialdemokraten übernommen hatte.
Ob seine Führungstätigkeit innerhalb des Bamberger Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold oder
seine Äußerung, die Nationalsozialisten hätten den Reichstag selbst in Brand gesteckt, den
äußeren Anlass für seine frühe Verhaftung gab, ist umstritten. Auf jeden Fall gehört Willy
Aron, den die Nazis einen "Roten Hund" nannten, in Bamberg zu den Ersten, die das neue
Regime am 10. März 1933 aus politischen Gründen in "Schutzhaft" nehmen ließ, wie es
verschleiernd in der Sprache der Nazis hieß. Im Konzentrationslager Dachau, wo er am 15.
Mai, eintraf, wurde Aron, der durch seine Körpergröße und seine roten Haare auffiel, auf
äußerst brutale Weise misshandelt. Zeugen berichteten später, dass dem bereits
Fieberwahnsinnigen immer wieder von neuem auf die eiternden Wunden geschlagen wurde.
Die SS, deren Macht zu dieser Zeit noch nicht hinreichend gefestigt war, versuchte, den
Mord an Aron zu vertuschen, und befürchtete, er könnte zum jüdischen Märtyrer werden. Als
der Sarg in Bamberg eintraf, durfte er bis zur Beisetzung am 22. Mai nicht mehr geöffnet
werden. Im März 1948 begann die strafrechtliche Verfolgung des Falles. Die Täter, die bis
zum Schluss kein Schuldgefühl aufbrachten, kamen mit vergleichsweise harmlosen Strafen
davon; einer von ihnen beging 1964 Selbstmord.

Andreas Dornheim spricht in seiner Biographie über Aron davon, "dass viele
Nationalsozialisten zumindest ahnten, dass sie mit Wilhelm Aron nicht nur einen
unschuldigen, sondern auch einen begabten Menschen mit einem gewissen Charisma
umgebracht haben". Schon kurz nach dem Krieg beginnt die öffentliche Erinnerung an Aron,
auch dank des publizistischen Einsatzes Thomas Dehlers. Heute erinnern in seiner
Heimatstadt die nach ihm benannte Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e. V. (Link: www.willyaron-
gesellschaft.de), drei "Stolpersteine" des Kölner Künstlers Gunter Demnig (vor dem
Anwesen Luitpoldstraße 32) und eine Aronstraße an ihn und seine Familie. Willy Arons Grab
befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Bamberg.

Akademischer Werdegang
Willy Aron begann sein Studium im Mai 1925 in Erlangen, wechselte aber, vielleicht wegen
des latent antisemitischen Klimas dort, nach nur einem Semester nach Würzburg. Hier
wurde er, den sie wegen seiner politischen Auffassung mit Spitznamen "Ilja Andrewitsch"
riefen, Waffenstudent des paritätischen Burschenbundes Wirceburgia.
Die Reception zum Burschen erfolgte nach zwei genügenden Bestimmungsmensuren auf
dem Semesterantrittsconvent im Sommer 1926. Sein Leibfuchs Günther Berger berichtete
später: "Mir wurde mein Leibbursch ein wertvoller Freund im Gedankenaustausch. Im Zweifel
hätte ich mit einem anderen Leibburschen nur über Banalitäten sprechen können."

Im folgenden Semester wurde Aron zum Zweitchargierten und damit zum Fechtwart gewählt.
Als der Semesterabschlussconvent den als still, schlank und sportlich beschriebenen
Burschen aus seiner Charge entließ, wurde ihm sofort die Klammerung gestattet. Zeitgleich
ließ Aron sich inaktivieren, da er das Sommersemester 1927 in München verbringen will.
Dort wurde er Verkehrsgast des Burschenbundes Südmark. Als Aron im Wintersemester
1927/28 nach Würzburg zurückkehrte, erhielt er die Aufgabe des Fuchsmajors übertragen.
Trieb ein Bundesbruder seinen Ulk mit Aron, ließ dieser so etwas keinesfalls einfach auf sich
sitzen. Der Studentenhistoriker Thomas Schindler schreibt Aron die Fähigkeit zur
Selbstironie zu. So zeichnete er zum 45. Stiftungsfest seiner Wirceburgia (1930) das
Liederheft seines Bundesbruders Hellmann hinter seinem Namen nicht nur mit Zirkel (unter
Weglassung der Klammer), sondern auch mit der zweimaligen Wiederholung seines
Nachnamens - einmal auf Griechisch, einmal auf Hebräisch.

Ab dem 4. März 1930 war Aron wieder dauerhaft in Bamberg ansässig. Ursprünglich
preußischer Staatsbürger, war ihm erst Anfang April 1929 im Hinblick auf das erste
juristische Staatsexamen die bayerische Staatsbürgerschaft verliehen worden; mit dem
Machtantritt der Nationalsozialisten zerschlugen sich alle Hoffnungen auf eine spätere
Beamtenlaufbahn. Sein mutiges politisches Engagement sollte Willy Aron bereits kurz
danach mit seinem Leben bezahlen. Das Haus seiner Wirceburgia wurde in der Nacht vom
30. Juni auf den 1. Juli 1933 von einem SA-Trupp gestürmt. Willy Aron war zu diesem
Zeitpunkt bereits tot. Das Bamberger Volksblatt schloss am 23. Mai 1933 die Notiz über sein
Begräbnis mit den Worten: "An der offenen Gruft sprach ein Bundesbruder des Toten
herzliche Worte des Abschiedes."

Autor: Axel Bernd Kunze



Literatur
Monika Bieber/Axel Bernd Kunze: Gedenkreden zum 70. Todestag Willy Arons am 15. Mai
2003 (Arbeitspapiere der Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e. V.; 3/2006), o. O. (Bamberg):
Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e. V. 2006.
[Onlineausgabe: http://www.willy-aron-gesellschaft.de/downloads/Arbeitspapier03_2006.pdf].
Andreas Dornheim/Thomas Schindler: Wilhelm Aron (1907 - 1933). Jude, NS-Gegner,
Sozialdemokrat und Verbindungsstudent (Schriftenreihe des Historischen Vereins Bamberg;
40), Bamberg: Historischer Verein Bamberg (Herstellung: H. O. Schulz, Lichtenfels) 2007,
ISBN: 978-3-87735-187-1.
Georg Grosch: Willy Aron, in: Gerhard C. Krischker: Bambergs unbequeme Bürger,
Bamberg: Collibri 1987, S. 25 - 28 (Quellenanhang: 29 f.), ISBN: 978-3-926946-00-3.
Axel Bernd Kunze/Hendrik Leuker: Aufruf zur Zivilcourage. Ein Themenabend am 8. Mai
2008 (Arbeitspapiere der Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e. V.; 7/2008), o. O. (Bamberg)
2008.
[Onlineausgabe: http://www.willy-aron-gesellschaft.de/downloads/Arbeitspapier07_2008.pdf].
Axel Bernd Kunze (Bamberg).