Lesung auf dem Stuttgarter Hilarenhaus

ROTE FAHNEN, BUNTE BÄNDER - eine Reise in die Welt bedeutender Sozialdemokraten und Vordenker sozialer Demokratie aus studentischen Korporationen

Im Rahmen der Buchveröffentlichung wurde 26. April 2017 auf dem Verbindungshaus der Stuttgarter Burschenschaft Hilaritas das im Auftrage des Lassalle- Kreises erstellte politisch-historische Werk „Rote Fahnen, bunte Bänder“ der Herausgeber Manfred Blänkner & Axel Bernd Kunze vorgestellt. Der Mitautor Dr. Axel Bernd Kunze gab mit seiner Lesung und folgender Diskussion stellvertretend für die Autoren dem zahlreichen wie vielfältigen Publikumskreis kurzweilige und fachlich fundierte Einblicke zu einem weit über das Wahljahr 2017 hinaus bewegenden Thema, das in sich keinen Widerspruch, sondern bei genauerer Betrachtung das Gegenteil darstellt. Eine demokratische Volkspartei pflegt nicht die Herkunft derer zu untersuchen und zu bewerten, die ihr beitreten wollen, so beschreibt es der Bundesminister a.D. Dr. Erhard Eppler bereits im Vorwort des Bandes. Mehr denn je finden heute Menschen verschiedener Glaubens- und Denkansätze in der bereits 150 Jahre währenden Parteitradition der SPD auf Basis der sozialdemokratischen Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ihre gesellschaftliche Heimat.

Als bedeutende im Buch beschriebene und für ihre Verdienste gewürdigte Mitglieder studentischer Korporationen sind u.a. Namen wie Ferdinand Lassalle, Wilhelm Liebknecht, Eduard David, Paul Tillich, Ludwig Bergsträsser oder Detlev Karsten Rohwedder ebenso zu finden wie die adeligen Vertreter der SPD- Führungsgremien Georg von Vollmar oder Waldemar von Knoeringen. Der Landesverband BW wurde lange von Alex Moeller, dem Generaldirektor einer bekannten Versicherungsgesellschaft geleitet, sogar christliche Theologen wie der berühmte Karl Barth fanden trotz zeitweiligen Disputs von Kirche und Partei ihren Weg nach staatlicher Einheit und Freiheit im 19 Jh. als korporierte Sozialdemokraten. Prof. Peter Brand erinnert in dem Band an das „Erbe der Urburschenschaft“ als Verpflichtung und Herausforderung an heutige studentische Korporationen als künftige Werte- und Verantwortungsgemeinschaften. In der Historie wurde in den Conventen der Korporationen die demokratische Kultur der Willensbildung-und Entscheidungsfindung schon lange vor Einführung der Demokratie als Staatsform praktiziert. Das deutsche Korporationsstudententum bietet seinen Mitgliedern zur fruchtbaren Entwicklung politischen Engagements im diesem Sinne auch heute wertvolle Hilfestellungen durch Weitergabe von Bildungs- und Sozialisationserfahrungen an. Weiterhin wird geistig unverfälschtes Orientierungswissen, die in den Traditionen festgelegte Gemeinwohlbildung, gesellschaftlich autarke Selbstbestimmung und die eigene Freiheit gestärkt und gezielt gefördert. Erst auf Basis dieser äußerst aktuellen Wertegrundlagen, die zuerst keinen parteipolitischen Auftrag innehaben, werden junge Menschen fähig, entgegen dem aktuellen Trend politisch Entscheidungen nachhaltig mitzugestalten und stellen somit eine verlässliche Bereicherung der SPD dar. Da in der Politik das notwendige Orientierungswissen mehr verloren geht und die politischen Akteure sich unberechenbar von kurzfristigen medial erzeugten Stimmungen leiten lassen, endet dies häufig in Verlusten der Glaubwürdigkeit, Problemlösekompetenz und Frustration der Wähler. Dr. Kunze machte an dieser Stelle mit Rückblick auf Parteienkritik bis zur Situation im 16. Jh., auf ständischer und konfessioneller Spaltung beruhend, darauf aufmerksam, dass Politik heute mehrheitlich von Interessengruppen und politischen Entscheidungsträgern gelenkt werde und daher Mittel zur wirksameren Kontrolle derer angewendet werden müssten.

Der generationenübergreifende Lebensbund der Korporationen versteht sich wie die sozialdemokratische Partei in ihren Anfängen als starke Gemeinschaft gleichgesinnter Genossen, deren Werte sich im Einsatz für eine offene, gerechte und solidarische Gesellschaft bewähren. Als Quelle gegenseitiger Inspirationen gilt dies bis heute, wie der 2006 gegründete Lassalle- Kreis als Netzwerk korporierter Sozialdemokraten deutlich macht und die Lebensbilder der aus gänzlich unterschiedlichen Berufen stammenden korporierten Genossen im vorgestellten Sammelband hervorhebt und in dankbarer Erinnerung bewahrt. Im Zuge der vorherrschenden Unstimmigkeiten einiger SPD-Mitglieder, welche die politische Zusammenarbeit mit Korporationsszene ablehnen, seien diese daran erinnert, dass einige derer ehemaliger Genossen für den Einsatz ihrer politischen Überzeugungen und demokratischer Werte gegen staatliche Unterdrückung mit Inhaftierung, Verfolgung und sogar mit ihrem Leben bezahlen mussten, wie an den Beispielen von Willy Aron oder Adolf Reichwein deutlich wird. Der Abbau der auch in der Publikumsdiskussion häufig aus Unwissenheit oder bewusst herbeigeführter Fehldeutung erwähnten entstehenden Vorurteile wird sich nur durch die Bereitschaft der Kritiker zur konstruktiven, detaillierten Auseinandersetzung mit der Korporationsszene sowie auch deren intensiver Öffentlichkeitsarbeit und Kampf um sozialdemokratische Werte erreichen lassen. Unsere Gesellschaft ist laut Erhard Eppler inzwischen so bunt, dass parteipolitische Unvereinbarkeitsbeschlüsse gerade das tun könnten, was sie verhindern wollen: dass wir an unserer Verfassung vorbeileben. „Der kühnen Bahnen folgen wir, die uns geführt Lassalle“ ( Jacob Audorf, 1864)

Stuttgart, 27.04.2017 Text: © Peter Constantin, alle Rechte vorbehalten