Männerbund: Quo vadis?

Ein Streitgespräch zwischen Florian Boenigk und Axel Bernd Kunze

Bleiben Studentenverbindungen ein Rückzugsraum für Männer oder werden sich künftig mehr Korporationen auch für Frauen öffnen? Diese Frage könnte für Verbindungen existenziell werden, meint Florian Boenigk, Mitglied eines liberalen Männerbundes – und geht von einer immer breiteren Öffnung für alle Studierenden aus. Axel Bernd Kunze dagegen, ebenfalls Mitglied eines Männerbundes mit liberalen Traditionen, sieht gerade die Möglichkeit zur geschlechterhomogenen Vergemeinschaftung als Ausdruck von Freiheit an, auch für männliche Studenten. Für ihn ist der Männerbund durchaus ein Zukunftsmodell in einem pluralen akademischen Umfeld.

Erster Brief

Lieber Axel Bernd,

mir ist bei der Betrachtung der Frage, ob Männerbünde heute noch zeitgemäß sind und ob sie sogar gegen die politischen Ziele der Partei verstoßen, die Perspektive der SPD sehr wichtig. Immer wieder werden von Jungsozialisten, Juso-Hochschulgruppen und anderen SPD-Gremien Vorwürfe gegen Korporationen hervorgebracht. Verbindungen seien aus ihrer Sicht rechtsradikal, revisionistisch, rassistisch, homophob, antisemitisch, elitär und sexistisch. Die meisten Vorwürfe sind schnell entkräftet, da sie in der Realität nicht belegbar und auch nicht durch Forschungen und wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen sind. Erst recht konnten bisher keinem korporierten Parteimitglied obige Verhaltensmuster nachgewiesen werden.

Tatsache ist jedoch, dass über achtzig Prozent der Verbindungen reine Männerbünde sind. In der Präambel der SPD steht das Ziel der gesellschaftlichen Gleichheit. Selbstkritisch finde ich bei männlichen Studentenverbindungen durchaus Muster und Vorgehensweisen, in denen sich gesellschaftliche Ungleichheit manifestieren kann. Beispielsweise ist über ein gutes Altherrennetzwerk der Zugang zu Praktika leichter. Gutklingende Praktika können den Berufseinstieg erleichtern. Auch ist das Studieren in der Regel einfacher, wenn man nur hundertfünfzig Euro für ein gutes Zimmer in zentraler Lage bezahlt, zudem noch eine Privatbücherei im Haus hat. Schon beim ersten Argument des erleichterten Berufseinstiegs ließe sich entgegen halten, dass auch die SPD mit ihren Jugendorganisationen ein mächtiges Karrierenetzwerk darstellt, welches durchaus elitär auftritt.

Die SPD hat es sich immer zum Ziel gemacht, mit ihrer Politik Ungleichheiten und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zu verringern. Von daher müssen sich meiner Meinung nach auch die Mitglieder des Lassalle-Kreises die Frage gefallen lassen, ob und wie Männerbünde zum sozialdemokratischen Ziel der gesellschaftlichen Gleichheit beitragen.

Zeitgleich sollten sich die innerparteilichen Kritiker des Verbindungswesens die Gegenfrage zu Herzen nehmen, wie man Männerbünde auflösen kann, ohne den Charakter einer Volkspartei mit ihren vielen Strömungen zu verlieren. Die SPD vereinigt Menschen verschiedener Glaubens- und Denkrichtungen. Ist die Denkrichtung vieler Dachverbände überhaupt konträr zur sozialdemokratischen? Muss man nicht jedes SPD-Mitglied einzeln betrachten? Steht die Forderung nach Auflösung von Studentenverbindungen überhaupt im Einklang mit den Grundwerten der Partei, und zwar Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität?

Die innerparteiliche Diskussion über eine Unvereinbarkeit von Verbindungen und SPD ist eng mit Dasein und Wirken der Männerbünde verknüpft. Die eben aufgeworfenen Punkte und Fragen sollten wir uns innerhalb des Lassalle-Kreises zu Herzen nehmen.

Mit besten Grüßen

Dein Florian Z!

Zweiter Brief

Lieber Florian,

Gerechtigkeit wird vielfach einseitig egalitaristisch verstanden und mit Gleichheit in eins gesetzt – auch in der SPD. Ich halte das nicht für gerechtfertigt. Denn zu den Grundwerten des Demokratischen Sozialismus gehört gleichfalls die Freiheit. Gerechtigkeit lässt sich nur im komplementären Zusammenspiel von Freiheit und Gleichheit verwirklichen – das sollte alle demokratischen (Volks-)Parteien einen. Wie sich dieses Ziel konkret verwirklichen lässt, darüber dürfen und  müssen wir dann politisch streiten.

In einer freiheitlichen Gesellschaft sollten weder Männer- noch Damenverbindungen ein Problem sein. Männerbünde haben keinen Grund, sich zu verstecken und zu rechtfertigen. Denn in einer freiheitlichen Gesellschaft besteht ein Recht auf freie Vergemeinschaftung. Wer dieses Recht in Frage stellt, verhält sich freiheitsfeindlich und intolerant.

Herzliche, farbenbrüderliche und solidarische Grüße

Dein Axel Bernd Z! Z!

Dritter Brief

Lieber Axel Bernd,

ein immer wiederkehrendes Argumentationsmuster von Verbindungsstudenten bei der Rechtfertigung ihres Männerbundes ist, dass die Frauen ja auch Damenverbindungen gründen können. Daher sei die Forderung mancher SPD-Teile, dass Männerbünde Frauen zugänglich gemacht werden sollten, hinfällig.

Nun ja, ich halte diese Argumentation für falsch. Heutige Damen- und Herrenverbindungen haben durchaus große Unterschiede, und man kann nachvollziehen warum man als Erstsemester gerne einer hundertfünfzigjährigen Verbindung mit tollem Haus und vielen Alten Herren mit großem Netzwerk beitreten will und nicht einem jungen Bund, der sich in einem Wirtshaus trifft, da er kein Haus hat. Junge Studentinnen haben diese Wahlfreiheit nicht, sie müssen sich mit circa fünfzehn Prozent der Verbindungen begnügen. Das kann man als Sozialdemokrat als ungerecht bezeichnen.

Sigmar Gabriel schrieb vor vier Jahren über die Grundwerte der Partei: „Entscheidend für die SPD aber sind ihre Grundwerte, allen voran Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Wie sie argumentativ begründet und gewichtet werden, ist zwar jedem und jeder Einzelnen überlassen, aber klar ist, dass diese Grundwerte im Kern gleichwertig, gleichrangig und sich einander bedingend sind: ohne Freiheit keine Gerechtigkeit und ohne Gerechtigkeit keine Solidarität.“

Welche Freiheit meint Sigmar? Ich denke, er meint unter anderem die Wahlfreiheit, das heißt auch: die freie Wahl, einem Verein beizutreten zu können, zu dem ich gerne zugehören will (das heißt ja nicht, dass dieser mich auch will – es geht nur erst einmal um die theoretische Chance, überhaupt Mitglied zu werden). Fünfundachtzig Prozent der Studentenverbindungen verbieten die Mitgliedschaft von Frauen, ohne das sinnvoll zu begründen. Oft kommt jetzt die Floskel von den Männergesangvereinen und der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF): Beide sind nicht mit Korporationen vergleichbar. Eine Verbindung ist mehr als ein Verein. Verbindungen legen an sich schon den Anspruch (und das zeigen ihre Selbstdarstellungen), eine Rolle in der Gesellschaft inne zu haben, und sich eben nicht ins Private zurückzuziehen (ich rede nicht nur über die politischen Burschenschaften). Daher greift ein alleiniges Zurückgreifen auf das Vereinsrecht aus einer SPD-politischen Sicht zu kurz. Die SPD hat an sich den Anspruch, gesellschaftliche Spieler nicht nur formal-juristisch und normativ zu beurteilen, sondern auch politisch.

Nun kommt es auf den Anspruch eines jeden Parteimitglieds beziehungsweise einzelner Gruppierungen an. Findet er oder sie die akademische Welt ungerecht? Gibt es gesellschaftliche Defizite, die die SPD dort lösen soll? Soll die SPD an Universitätsorten für Studentinnen gleiche Zugangsoptionen zu billigem Wohnraum und guten Karrierenetzwerken via Korporationen fordern? Ist das Teil der politischen Agenda der SPD oder ist es ein übertriebener Eingriff in das Vereinsrecht und das Recht auf freie Vergemeinschaftung? Ich kann nachvollziehen, wenn es Juso-Gruppen gibt, die Forderungen dieser Art in ihr Programm aufnehmen.

Du schreibst: „In einer freiheitlichen Gesellschaft besteht ein Recht auf freie Vergemeinschaftung“ oder „Gerechtigkeit lässt sich nur im komplementären Zusammenspiel von Freiheit und Gleichheit verwirklichen“.

Die meisten großen Verbindungen beziehungsweise Korporationen mit gutem Netzwerk wurden im neunzehnten Jahrhundert gestiftet, das heißt zu einer Zeit,  in der es bei der Frauenfrage keine freiheitliche Gesellschaft gab (was SPD-Granden wie Bebel sehr beschäftigte) und in der dieser Zustand gerade im akademischen Milieu zu Ungleichheit und Ungerechtigkeit führte. Es gab damals kein „oder“ bei „Männer- oder Damenverbindungen“. Auch wenn der Zugang von Frauen zum Studium damals keine zentrale SPD-Forderung war (da nicht Kerngeschäft), kann man diese Forderung sehr wohl als zutiefst sozialdemokratisch bewerten. Noch heute zehren die meisten Bünde von diesem „Startvorteil“, schließlich folgten heutige Damenverbindungen vor fünfunddreißig Jahren, also circa hundert bis hundertfünfzig Jahre später. Da dieser Vorteil also aufgrund einer gesellschaftlichen Ungerechtigkeit entstanden ist, ist eine SPD-Politik doch nachvollzierbar, die nun eine Korrektur oder Wiedergutmachung fordert.

Du führst an, dass eine „egalitaristischen Auslegung von Gerechtigkeit“ zum Problem werden könne. Meinst Du damit die Chancengleichheit? Insbesondere die Chancengleichheit war und ist in der SPD ein wichtiges politisches Motiv. Warum sollte man Frauen nicht die Chance geben, sich in einen bisherigen Männerbund zu integrieren? Oder meinst Du, man müsse historisch gewachsene Ungerechtigkeit, wie die Nichtzulassung weiblicher Studenten vor 1900, akzeptieren?

Vielleicht verstehe ich Dein „Gerechtigkeit wird heute vielfach einseitig egalitaristisch verstanden und mit Gleichheit in eins gesetzt – auch in der SPD“ nicht vollumfänglich. Für mich ist es sozialdemokratische Politik, Frauen gleiche Chancen zu ermöglichen. Das heißt, sie müssten aus sozialdemokratischer Sicht zumindest die Chance haben, jeder Verbindung beizutreten, der sie wollen. Es kann doch nicht sein, dass man die Hälfte der Menschheit qua Geburt ausschließt. Ungleichheit (durch Geschlecht) darf doch nicht automatisch die Freiheit einschränken, oder? Das ist nicht gerecht.

Ich glaube aber im gleichen Atemzug, dass sich das Interesse der Damenwelt an schlagenden, saufenden und kotzenden Bünden eher in Grenzen halten würde und dass sich schnell herausstellt, dass das Netzwerk klein und der elitäre Dünkel eher Fassade ist. Meine Beobachtungen lassen mich annehmen, dass das Bild, welches in SPD-Kreisen über Korporationen gepflegt wird (mit all den Vorwürfen), revidiert werden muss. Die Macht und der Einfluss von Verbindungen werden sehr überschätzt. Mittlerweile gibt es bessere und professionellere Netzwerke – viele Firmen arbeiten mit von Frauen geführten HR-Abteilungen und computergestützten Analysen. Vitamin B ist nur noch „Homöopathie“ und reicht allermeist nur für ein Praktikum.

Nach wie vor suche ich Antworten auf die Frage, warum sich viele Bünde bis heute sträuben, Frauen aufzunehmen. Ist es Protektionismus? Welche Angst haben sie? Welche Nachteile überwiegen die Vorteile?

Wird es in den kommenden Jahrzehnten weitere gesellschaftliche Entwicklungen geben, die Frauen einen besseren Zugang zu Macht ermöglichen (Stichwort Frauenquote, bessere Karrieren durch bessere Kinderbetreuung), sodass sich das Netzwerkmodell von Verbindungen zwangsläufig geschlechterhomogen aufstellen muss? Sind Männerbünde in Zeiten von Facebook und weiblichen Vorgesetzen zukunftsfähig beziehungsweise attraktiv?

 

Ich freue mich auf Deine Rückmeldung,

mit besten Grüßen

Florian Z!

Vierter Brief

Lieber Florian,

vielen Dank für Deine ausführliche Stellungnahme. Freiheit als Grundwert einer freiheitlichen Gesellschaft (und auch unserer sozialdemokratischen Partei) ist nur dann vollwertige Freiheit, wenn zwei Aspekte gesichert sind: negative und positive Freiheit. Im Zuge einer überschießenden Interpretation der Menschenrechte dominiert aktuell allzu häufig die positive über die negative Freiheit. Dies führt zu einem Paradox: Unsere gegenwärtige Gesellschaft hält sich für liberal – ist es aber in vielen Fällen nicht mehr.

Der pluralen, spätmodernen Gesellschaft scheint die Fähigkeit abhandengekommen zu sein, sich über das rechte Maß zu verständigen. Stattdessen versucht man, durch ein immer Mehr an staatlicher oder gesellschaftlicher Steuerung das rechte Maß herzustellen. Das Zusammenleben wird restriktiver, da bestimmte Wertorientierungen äußerst subtil durchgesetzt werden, und zwar durch inhaltlich detailreiche, positiv gefüllte Vorgaben, durch soziale Verhaltenserwartungen und Normvorstellungen, die ins Übermaß gesteigert werden.

Auch die Vereinsfreiheit umfasst zweierlei: Das Recht, nicht willkürlich ausgeschlossen zu werden, aber auch das Recht, sich frei zu vergemeinschaften. Wenn Vereine über ihre Zusammensetzung nicht mehr frei entscheiden können, verkehrt sich die Vereinsfreiheit in ein Instrument staatlich-gesellschaftlicher Kollektivierung. Die Vereinsfreiheit dient dazu, unterschiedliche Vereinigungen zu gründen, die sich in der Zielsetzung, in ihrem Charakter, in ihrer Arbeitsweise und in ihrer Zusammensetzung voneinander unterscheiden. Das unterscheidet gesellschaftliche Vereine von anderen Vereinigungen mit Zwangsmitgliedschaft (zum Beispiel Kammern oder verfassten Studentenschaften).

Historisch gibt es zahlreiche Zufälligkeiten und Ungleichzeitigkeiten. Das sehen wir an der Entwicklung der Korporationen sehr deutlich. Ich werde mich jederzeit für Damenverbindungen stark machen und auch für gemischte Verbindungen, wenn diese das so beschlossen haben – aber eben nur als ein Modell neben anderen. Selbst würde ich mich keiner gemischten Verbindung anschließen. Aber genau das macht Freiheit aus: selbst entscheiden zu können, welcher Form von Vereinigung man beitreten möchte. Wenn es diese Wahlfreiheit nicht mehr geben dürfte, wäre die Freiheit zerstört.

Es kann weder Aufgabe des Staates noch einer Partei sein, ein bestimmtes Korporationsmodell dadurch zu befördern, dass man anderen Formen die gesellschaftliche Berechtigung abspricht. Dass Damenverbindungen längere Zeit brauchen werden, eine genauso lange Tradition zu entwickeln, als so mancher Männerbund, ist eine historische Tatsache, aber keine Ungerechtigkeit. Die Frage grundsätzlicher Wahlfreiheit und Chancengerechtigkeit stellt sich im Blick auf die Möglichkeit, in einer freiheitlichen Gesellschaft grundsätzlich eigene Vereinigungen gründen und diese frei von politischer Bevormundung ausgestalten zu können. Es gibt kein Recht, in einen ganz bestimmten Verein aufgenommen zu werden. Denn meine Rechte enden stets an der gleichen Freiheit der anderen.

Pädagogisch wie bildungspolitisch müssen wir immer mit faktischer Ungleichheit umgehen. Dabei geht es um Chancengerechtigkeit. Diese lässt sich nur im komplementären Zusammenspiel unterschiedlicher Prinzipien verwirklichen – grob lassen sich vier unterscheiden: Es geht um Nichtdiskriminierungsfreiheit (daher ist zum Beispiel der Einsatz für das Frauenstudium ein zutiefst freiheitliches und auch sozialdemokratisches Anliegen), aber auch um Ungleichbehandlung dort, wo dies aufgrund unterschiedlicher Interessen und Bedürfnisse notwendig ist. Schließlich geht es um Freiheit von staatlicher Bevormundung, damit jeder seinen eigenen Lebensplan verwirklichen kann. Und es geht um Abwehr von Zwang, sowohl durch staatliche Bevormundung als auch durch übermächtige gesellschaftliche Kollektive. Die politische und sozialethische Kunst besteht darin, jeweils zu entscheiden, welches Prinzip angemessen ist.

Ich weiß, dass ich damit in ein Wespennest steche. Aber Quotenregelungen widersprechen dem vorstehenden Verständnis von vielgestaltiger Chancengerechtigkeit, weil hier die individuellen Freiheitsansprüche der einen kollektiv verrechnet werden mit Gleichheitsansprüchen der anderen – und das ist nicht gerecht, da die erstrebenswerte Diskriminierungsfreiheit mit unlauteren Zwangseingriffen in die Freiheit anderer erkauft wird (auch stellen Quoten die Leistungsfähigkeit eines Bereiches in Frage, wenn unsachgemäße Kriterien bei der Personalauswahl bestimmend werden).

Warum sträube ich mich so vehement gegen gemischte Verbindungen? – Verbindungen sind ein lebenslanger Freundschaftsbund. Mit Eintritt binde ich mich lebenslang an eine Gemeinschaft. Dann muss ich mir aber auch sicher sein, dass diese Gemeinschaft nicht grundlegend ihr Wesen verändert. Ein lebenslanger Freundschaftsbund braucht – anders als ein bloßer Verein oder eine Interessengemeinschaft – ein gemeinsames Fundament, sonst kann man sich nicht gegenseitig lebenslange Freundschaft versprechen.  Dieses Fundament kann unterschiedlich aussehen: eine gemeinsame Konfession (zum Beispiel bei katholischen Verbindungen), eine gemeinsame fachliche Ausrichtung (zum Beispiel bei Jagdverbindungen, Sängerschaften) und so weiter – oder eben ein gemeinsames Geschlecht. Männliche, weibliche oder gemischte Verbindungen haben jeweils einen anderen Charakter, das merkt man an der Gesprächs-, Feier- und Diskussionskultur. Wenn sich die Geschlechterzusammensetzung ändert, verändern sich auch Charakter und Identität der Verbindung. Und es ist gut, dass es diese Unterschiede gibt. Jeder mag dann selbst entscheiden, wo er mitmachen möchte.

Volksparteien waren darauf angelegt, unterschiedliche Flügel in sich zu vereinigen und Radikalisierung zu vermeiden (was ihnen dann auch den Vorwurf von "Allerweltsparteien" eingebracht hat). Da mag es dann Richtungen geben, die sich liberaler oder egalitaristischer orientieren. Solange beide Alternativen nicht einseitig in eine Richtung aufgelöst werden, belebt dies den politischen Prozess. Die Jusos lösen allerdings das Verständnis sozialdemokratischer Politik zunehmend radikaler in Richtung eines egalitaristischen Staats- und Gesellschaftsmodells auf, mit totalitären Zügen. Ich hoffe, dass es unserer Partei weiterhin gelingt, für Freiheit und Gleichheit gleichermaßen zu streiten. Freiheit bleibt auf Dauer nur in maßvollen Systemen erhalten, das lehrt auch die Geschichte unserer Partei. Nur eine plurale Gesellschaft, die unterschiedliche Lebensmodelle zulässt, wird auf Dauer eine lebenswerte bleiben. Mag sein, dass das liberal klingt – es ist meines Erachtens sozialdemokratischer, als viele gegenwärtig meinen. Denn der Liberalismus kann ebenfalls freiheitsfeindlich und ungerecht werden – und zwar dann, wenn er einseitig die Freiheit betont.

Und ich  wünsche mir einen Lassalle-Kreis, der unterschiedliche Formen des Verbindungslebens wertschätzt und sich dafür einsetzt, dass diese Vielfalt auch von einer großen Volkspartei anerkannt wird – zum Wohle der eigenen Mitglieder, der gesellschaftlichen Bindekraft der Partei und auch zum Wohle der Gesellschaft.


Mit herzlichen, farbenbrüderlichen und solidarischen Grüßen

Dein Axel Bernd Z! Z!

Fünfter Brief

Lieber Axel Bernd, 

Bei Geschlechterfragen bin ich schwedisch geprägt, das heißt: gleiche Zugangschancen für alle.

Du meinst, dass Du Dich selbst keiner gemischten Verbindung anschließen würdest. Ferner schreibst Du, dass genau das Freiheit ausmacht: „Selbst entscheiden zu können, welcher Form von Vereinigung man beitreten möchte.“ Wo können denn Frauen frei entscheiden, wenn ihnen nicht aufgrund ihres Charakters, Wissens, der Soft Skills und ihrer Interessen und nur wegen der Marginalie des Geschlechts von vornherein fünfundachtzig Prozent der Vereinigungen vorenthalten werden? Woher kann der Männerbund eigentlich wissen, dass eine Kandidatin nicht doch die beste Seniora, die fleißigste Fuxmajora und der profundeste Kassenwart wird? Ist es für einen Männerbund überhaupt ökonomisch sinnvoll, Menschen nach Geschlecht zu sortieren und von vornherein auszuschließen?

Du bist der Ansicht, dass es gut ist, dass es diese Unterschiede gibt. Jeder mag dann selbst entscheiden, wo er mitmachen möchte. Was passiert denn, wenn Studentinnen sich entscheiden, bei Burschenschaften, Landsmannschaften, Corps, CV-Bünden, VVDSt oder Wingolf mitmachen zu wollen? Ja, ich weiß, der Student darf auch nicht zu Damenverbindungen. Dann sei ja alles gerecht. Ist es nicht. In der Realität, und so bei meiner Almer mater in Tübingen, wählt der Student zwischen einunddreißig Bünden bei insgesamt dreiunddreißig aus. Die Studentin hat nur sechs von dreiunddreißig zur Auswahl. Wenn ich die Anzahl der Alten Herren als Indikator für das Netzwerk zugrunde lege, die als mögliche Kontakte zu werten sind, wird das Ungleichgewicht der Wahl noch größer. Ich finde diesen Unterschied nicht gut und habe aus einer sozialdemokratischen Betrachtung Probleme, das so zu akzeptieren.

Dass Damenverbindungen eine genauso lange Tradition entwickeln, halte ich für ausgeschlossen, der Vorsprung kann nicht wieder gut gemacht werden – auch werden nicht mehr so schnell diese großen, repräsentativen Villen gebaut. Verbindungen sind das Konstrukt einer unfreien Gesellschaft, in der es keine Chancengleichheit gab. Es konnten sich keine Studentinnen im neunzehnten Jahrhundert frei vergemeinschaften. Daher muss man meiner Ansicht nach Bünde, die heute ihre Statuten an der damaligen unfreien Gesellschaft orientieren, darauf hinweisen, und man kann das zu Recht kritisieren.

Es gibt kein Recht, in einen ganz bestimmten Verein aufgenommen zu werden. Da hast Du Recht, über die Aufnahme entscheidet der Convent. Warum aber muss man also statuarisch davor eine Hürde einbauen und schon mal die Hälfte des potentiellen der Studierendenschaft automatisch ausschließen? Welche Freiheit nehmen sich zwanzigjährige Jungen heraus, gleichaltrigen Kommilitoninnen die Aufnahme zu verwehren, ohne sie zu kennen, nur weil sie weiblichen Geschlechts sind? 

Wie Du Dir denken kannst, erkenne ich als gemeinsames Fundament eine Religion oder eine fachliche Ausrichtung an. Ob eine geschlechterhomogene Gruppe im Jahr 2016 noch ein solides und zukunftsfähiges Fundament sein kann, sehe ich kritisch. Der Trend ist, dass das Geschlecht nicht mehr Teil der Bewertungsgrundlage ist – die katholische Kirche wird sich diesem Trend irgendwann beugen und auch die Männerbünde, wenn sie weiter bestehen wollen. Ich prognostiziere bei Männerbünden Druck von außen und innen. Von außen sind es heutige Entwicklungen wie die Öffnung der Bundeswehr für Frauen, mehr Frauen in Management- und Führungspositionen, Angela Merkel und auch mehr Professorinnen. Von innen sind es die Bundesbrüder selber, die heute mit zwanzig Jahren schon fünf Jahre in Facebook mit Frauen netzwerken, die an der Uni von immer mehr Frauen ausgebildet werden – sie selber werden die Alten Herren auffordern, den Männerbund zu überdenken.

Summa summarum: Das konstitutive Element einer Studentenverbindung ist das Akademische und nicht das Maskuline. Bei der Gründung der Burschenschaften vor zweihundert Jahren war die gesamte Studierendenschaft aufgerufen, sich der Bewegung anzuschließen. Warum rufen nicht alle Burschenschaften heute dazu auf, sie ihnen anzuschließen? Ich wünsche mir eine Rückkehr zum ursprünglichen Zweck.

 

Ich freue mich auf Deine erneute Erwiderung.

Beste Grüße

Florian Z!

Sechster Brief

Lieber Florian,

danke für Deine ausführliche Antwort. Das ist eine spannende Debatte ... Die Herstellung geschlechterbezogener Gerechtigkeit bleibt eine politische Aufgabe. Dabei gilt – wie auch in anderen Bereichen: Je öffentlicher ein Bereich ist, desto stärker sind bestimmte Forderungen universalisierbar. Im gesellschaftlichen und noch mehr im privaten Bereich muss es aber die Möglichkeit geben, Formen des Zusammenlebens in nichtpolitischer, privater Form zu bestimmen. Das schließt dann auch ein, im Rahmen der Vereins- oder Privatautonomie selbst zu bestimmen, ob man sich geschlechterhomogen oder -inhomogen vergemeinschaftet.

Studentenverbindungen gehören dem gesellschaftlichen Bereich an, der Beitritt zu ihnen ist freiwillig und seit der Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg sind sie noch nicht einmal mehr Teil der Universität. Also haben Studentenverbindungen das Recht, für sich einen Freiraum politischer Nichteinmischung zu reklamieren – und der umschließt das Recht, selbst zu entscheiden, wer in den Freundschaftsbund aufgenommen wird und wer nicht. Wenn alle Verbindungen gezwungen wären, sich für Frauen zu öffnen, wäre dies ein politisch übergriffiger Akt, der zu einer totalitären Kontrollgesellschaft passt, nicht aber zu einem liberalen Rechts- und Verfassungsstaat.

Das Argument, dass Verbindungen bei ihrer Gründung einmal den Anspruch hatten, alle Studenten (und die waren damals männlich) zu organisieren (die Urburschenschaft wollte dies sogar in Form einer einzigen Korporation vor Ort), ist bedenkenswert. Aber aus historischen Tatbeständen kann man nicht einfach ein normatives Sollen ableiten, schon gar nicht von außen. Wenn dann müsste dieser Anstoß von innen aus dem Kreis der Verbindungen kommen – ein solcher Umschwung ist aber bei vielen Männerbünden derzeit nicht absehbar. Und das ist auch gut so. Männerbünde haben überhaupt keinen Grund, sich in eine Rechtfertigungsposition drängen zu lassen. Denn im liberalen Rechts- und Verfassungsstaat sind Eingriffe in die Freiheit begründungspflichtig, nicht deren Inanspruchnahme – nichts anderes machen Vereine, die als freiwillige Zusammenschlüsse Gleichgesinnter ihre Aufnahmekriterien selbst festlegen.

Gerechtigkeit herzustellen, ist eine wichtige politische Aufgabe. Der Staat hat aber nicht die Verpflichtung, alle Unterschiede auszugleichen. Wo Gerechtigkeitsansprüche ins Maßlose (vielleicht auch Utopische) gesteigert werden, geht dies zu Lasten der Freiheit. Die Vereinsfreiheit gilt geschlechterunabhängig. Niemand hat aber das Recht zu fordern und die Gemeinschaft dafür in Haftung zu nehmen, dass er zwischen genauso vielen Vereinigungen auswählen kann wie ein anderer. SPD und CDU haben auch eine unterschiedlich lange Tradition. Und eine neugegründete Partei kann auch nicht einklagen, dass ihr gleich eine große Parteizentrale hingestellt wird – hier kann man nur sagen: C'est la vie. Dass es in Universitätsstädten mehr Männer- als Damenverbindungen gibt, ist historisch erklärbar – aber kein Grund, nach der Polizei zu rufen, die hier jetzt für mehr Gerechtigkeit zu sorgen  hätte. Wir haben Vereinsfreiheit. Diese Freiheit darf genutzt werden, nur dann wird sie auch lebendig. Freiheit wird aber infantil, wenn jetzt auch noch staatlich gesteuert werden sollte, wie die Einzelnen von ihrer Freiheit Gebrauch machen – in diesem Sinne bin ich dann tatsächlich äußerst liberal. Ansonsten müssten wir ja auch auszählen, ob es im Land mehr Männer- als Frauenchöre oder umgekehrt gibt. Überall wo Gerechtigkeitsforderungen ins Maßlose gesteigert werden, führt dies zur Unfreiheit oder wird irgendwann kurios. Im Übrigen sollten wir den heutigen Einfluss von Verbindungen nicht überschätzen: Es gibt inzwischen eine Vielzahl an Vereinigungen und Netzwerken.

Ich gebe Dir Recht, dass viele Begründungen für Männerbünde eher plump daherkommen, nach dem Motto: Dann gibt es Beziehungsstress und so weiter (im Übrigen: den gibt es auch in Männerbünden, wofür ich zahlreiche Beispiele nennen könnte). Meines Erachtens sind zwei Argumentationslinien wichtiger: Die freiheitsrechtliche Begründung habe ich schon ausgeführt. Männerbünde müssen sich nicht an der Gesellschaft orientieren, weder damals noch heute; sie sind Teil dieser Gesellschaft, teils in Anpassung zu ihr, teils im Widerspruch zu ihr (sonst wären sie nicht immer wieder verboten worden). Und für diese Gesellschaft wünsche ich mir einfach Vielfalt, keinen Einheitsbrei  sich weitgehend ähnelnder Karrierenetzwerke. Der Männerbund ist in einer Gesellschaft, die auch andere Vereinigungen kennt, kein Dogma, sondern Ausdruck gelebter Pluralität und Vielfalt. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der alle gleich denken, fühlen und  handeln sollen. Wenn sich in meinem Convent die Meinung dreht, kann ich das nicht verhindern – warum auch. Ich kann mich nur persönlich fragen, sollte es einmal so weit kommen, ob es noch derselbe Freundschaftsbund ist, dem ich vor Jahren einmal lebenslange Treue geschworen habe. Im Zweifelsfall bleibt der Austritt. Die Frage kann nicht theoretisch entschieden werden, sondern nur im praktischen Vollzug, wenn es sich so entwickeln sollte. Für meinen Bund sehe ich das in absehbarer Zeit nicht.

Und damit kommen wir zum Kern: Studentenverbindungen eint das akademische Prinzip – da stimme ich Dir vollkommen zu (auch wenn dieses dann in den Bünden noch einmal sehr unterschiedlich ausgelegt wird). Nun bestimmen sich Studentenverbindungen allerdings nicht nur durch ein Prinzip. Das akademische Prinzip gilt zum Beispiel auch für Studentengemeinden oder andere Hochschulgruppen. Spezifischer für Studentenverbindungen ist der Lebensbund. Ein lebenslanger Freundschaftsbund bedarf eines tragfähigen Fundaments, das nur begrenzt und äußerst behutsam wandelbar ist. Für einen Freundschaftsbund braucht es etwas Gemeinsames, das weit über eine lockere Vereinsmitgliedschaft hinausgeht – und hier liegt für mich ein zentraler Grund, weshalb Männerbünde nicht einfach verpflichtet oder gedrängt werden können, sich für Frauen zu öffnen. Dies wäre nicht einfach eine beliebige Änderung der Satzung, sondern eine Wesensveränderung dieser auf gegenseitiger Freundschaft gegründeten Vereinigung. In diesem Fall würde für mich auch immer die Loyalität im Freundschaftsbund höher stehen als die Parteimitgliedschaft (nicht umsonst erinnert der Burscheneid bei uns an den Ehekonsens) – möglicherweise liegt ja gerade hier ein Grund, weshalb viele in der SPD und darüber hinaus so vehement gegen Studentenverbindungen ankämpfen. Wie schon zuvor geschrieben: Geschlechterhomogenität (wobei es nicht um „das Maskuline“ geht, sondern um einen bestimmten kulturellen Umgang miteinander, und zwar in diesem Fall in Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtlichkeit) ist nicht das einzige Fundament, das für einen Freundschaftsbund möglich ist. Dies kann auch die Konfession, eine regionale Verbundenheit, ein gemeinsames fachliches Interesse oder Weiteres sein. Ein Männnerbund aber, der sich auf dieses Wesensmerkmal festgelegt hat, sollte sich sehr genau überlegen, ob er dieses aufgibt. Ich empfinde es als ungeheure Bereicherung, in einer Gemeinschaft sein zu dürfen, in der Männer einmal unter sich sind (privat wie beruflich ist es ansonsten umgekehrt, wenn man nicht gerade einem Männerorden oder dem Kardinalskollegium angehört) – das ist aber ein persönliches, kein politisches Argument. Andere mögen das anders empfinden –  auch gut, daher sollte es Vielfalt geben.

Ein Verlust an Vielfalt würde die Korporationswelt kraft- und identitätslos machen. Es besteht die Gefahr, sich stets auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Dies wäre auf Dauer langweilig und würde zu einer starken Nivellierung führen. Der langen Rede kurzer Sinn: Freundschaften in Männerbünden, Damenverbindungen oder gemischten Bünden haben jeweils eine unterschiedliche emotionale, psychologische Qualität. Das ist keine Wertung, sondern ein Plädoyer für politischen Respekt gegenüber Unterschieden. Diese Vielfalt emotionaler Zugänge darf politisch nicht nivelliert werden, das wäre übergriffig und totalitär. Dieses anthropologisch-ethische Argument ist für mich der entscheidende Grund, so vehement für den Erhalt von Männerbünden zu streiten.


Mit herzlichen, farbenbrüderlichen und solidarischen Grüßen

Dein Axel Bernd Z! Z!

Siebter Brief

Hallo, Axel Bernd,

ich glaube, dass es für die Berufsaussichten eines Akademikers heutzutage wichtig ist, i Studium möglichst viel emotionale und psychologische Qualität aus der Interaktion von Frauen und Männern zu ziehen. Ich sehe also das anthropologisch-ethisches Argument für eine Sackgasse der Evolution an, und es greift für mich auch nicht, da es ein künstliches Konstrukt des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Sicherlich gestaltet sich ein Zwang zur Öffnung für Frauen schwierig, aber vielleicht wird ein Wandel ja von innen heraus voranstreiten. Ein gemischter Bund bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass bei jedem Zusammensein Frauen dabei sind. Ich bin auch nicht mit allen Bundesbrüdern gern zu Vorträgen oder auf Partys. Also, Männer- und Frauencliquen gibt es auch in gemischten Bünden, außerhalb von Veranstaltungen besteht sehr wohl die Möglichkeit, „unter Seinesgleichen zu sein“. Die Mensur als „Rückzugsraum“ für Männer kann ja bestehen bleiben – aber nicht mehr als Pflicht. Selbst wenn Frauen keine Mensur fechten wollen, kann die Verbindung ihnen ein Äquivalent anbieten.

Ganz kurz zu Deiner Annahme, dass Verbindungen seit dem Zweiten Weltkrieg noch nicht einmal mehr Teil der Universität sind. Nun ja, vielleicht aus der Sicht des Juristen. Aber, die Universität ist zentraler Identitätsstifter, sie grenzt die möglichen Mitgliedskandidaten ein und wird in vielen Liedern gepriesen und als Schoß der Mutter verehrt. Die Korporationen werben Mitglieder mit dem Ruf der Universität und nutzen den Campus zur Rekrutierung des Nachwuchses. Fakt ist: Heutzutage braucht die Universität die Verbindungen nicht mehr. Vor hundert Jahren waren die Verbindungshäuser noch wichtig für die tägliche Essensversorgung und dienten vielmehr als Ort der Begegnung unter Studenten. Diese (ungleichgewichtige) Symbiose führt meiner Ansicht nach dazu, dass man schon über eine Einschränkung der Freiheit und über das Vorhandensein einer politischen Einmischung der Korporationen diskutieren kann. Der argumentative Dreiklang ist: Jede Universität erlaubt Frauen das Studium – die Universität wirbt neue Studierende an und fördert somit indirekt Verbindungen, die Immatrikulierte als Mitglieder anwerben – und erhebt daraus den Anspruch, dass keine Personengruppe der Immatrikulierten bei der Aufnahme in eine wie auch immer geartete Hochschulgruppe, also auch Verbindungen, zu benachteiligen ist.

Ich teile Deine Einschätzung, dass man den Einfluss von Verbindungen überschätzt. Es gibt kaum aktuelle und aussagekräftige empirische Untersuchungen oder Vergleiche unterschiedlicher Netzwerke. Auch die Elitenforscher veröffentlichen kaum Artikel oder Forschungsarbeiten. Aus meiner eigenen Erfahrung meines dachverbandsfreien Bundes kann ich nur sagen, dass bei Jobbewerbungen der Abschluss, die Noten und die bisherige Laufbahn im Vordergrund stehen. Eine Mitgliedschaft in der gleichen Verbindung ist heute ein nachgelagertes Kriterium. Ob der Alte Herr, der den Job vergibt, aufgrund seiner Männerbundprägung lieber mit Männern zusammenarbeitet, anstatt eine Frau einzustellen, vermag ich nicht zu beurteilen.

Du wünschst keinen „Einheitsbrei“ bei den Karrierenetzwerken. Willst Du also ein mächtiges Männernetzwerk und zahnlose Frauennetzwerke? Ferner hast Du Angst, dass alle gleich denken, fühlen und handeln. Diese Angst wird aber durch die SPD-Partei nicht bestätigt, oder? Vielleicht geht es vielen männlichen Verbindungsstudenten schlichtweg um Angst vor Veränderung. Aber ändert nicht auch eine Verbindung ihr Denken, Fühlen und Handeln alle paar Jahre? Mal gibt es eine sozial engagierte, mal eine vermehrt feiernde, mal eine politisch-debattierende, mal eine kleine eingeschworene, mal eine übergroße und sich intern bekämpfende Aktivitas. Mein Credo bleibt: Ein Lebensbund darf im Jahr 2016 nicht bei Geschlechtergrenzen halt machen, alles andere ist nicht zukunftsgewandt, nachhaltig und klug. Die Diskussionen über diesen notwendigen Wandel (in Deinen Worten: „Ausbesserungen am Fundament“) sind langwierig und schwierig und bedürfen großer Überzeugungskraft bei jung und alt – aber nur so ist Innovation und Fortschritt möglich.

Dieses eben skizzierte kritische Hinterfragen sollte Verbindungen und Dachverbände mehr beschäftigen. Das meinte ich vielleicht damit, was Dich zu der Frage motivierte, ob Verbindungen wieder politischer werden sollen. Verbindungen sollen sich wieder mehr als Teil der Gesellschaft sehen und sich nicht wie in der Biedermeierzeit ins Private zurückziehen. Wenn sie wieder mehr Teil der Gesellschaft sein wollen, dann müssen sie aber die Spielregeln des einundzwanzigsten Jahrhunderts anerkennen, und das bedeutet, sich gegenüber Frauen zu öffnen. Inwiefern Frauen überhaupt ein Interesse an Männerbünden haben, steht auf einem anderen Blatt. Ich glaube sogar, dass der Zulauf sich in Grenzen halten wird, weil Verbindungen als Karrierenetzwerk und für das Erlernen von „social skills“ nicht mehr die beste Adresse an der Uni sind.

 

Beste Grüße

Florian Z!

Achter Brief

Lieber Florian,

ich denke, dass der Verweis auf anthropologisch-emotional unterschiedlich bestimmte Umwelten keineswegs eine Sackgasse darstellt. In der Pädagogik wird dieses Argument gerade wiederentdeckt, sei es in den Debatten um eine eigenständige Jungenpädagogik oder in der Frage nach den Chancen und Grenzen mono-, ko- oder biedukativer Erziehung. Da es nicht den einen Königsweg für alle gibt, plädiere ich auch hier für Vielfalt und Gelassenheit.

Geschlechterhomogene Interaktionszusammenhänge sind heute die Ausnahme, nicht die Regel – hier mache ich mir keine Sorgen, dass Akademiker zu wenig Erfahrungen im Umgang mit dem jeweils anderen Geschlecht sammeln, eher ist es doch wohl umgekehrt. Und Du deutest ja selbst an, dass die Mensur möglichweise als „Rückzugsraum für Männer“ bestehen bleibt (hier sehe ich eher das Problem, dass dann Verbindungen Mitglieder erster und zweiter Klasse haben – männliche, die fechten; weibliche, die nicht fechten – , was den Charakter eines Freundschaftsbundes deutlich in Frage stellt). Meine Bünde betrachten das Männlichkeitsprinzip als konstitutiv für ihre Tradition – das muss man nicht mögen, aber eine solche Traditionsbildung muss im gesellschaftlichen Bereich weiterhin möglich bleiben, wenn sich diese Gesellschaft als freiheitlich bezeichnen will.

Ich sehe in der genannten Frage weder politisch noch innerkorporativ Handlungsbedarf. Für mich sind meine Bünde, deren Bänder ich trage, nicht in erster Linie ein Karrierenetzwerk, sondern ein lebenslanger Freundschaftsbund. Und ich lasse mir weder vom Staat noch irgendeiner Partei hereinreden, mit wem ich einen solchen Freundschaftsbund eingehe. Das ist eine freiwillige, persönliche Entscheidung, die nicht durch andere politische Erwägungen überlagert werden darf – dann ist die Idee des Freundschaftsbundes zerstört, die Korporationsgegner hätten gewonnen.

Wenn rein männliche oder rein weibliche Freundschaftsbünde attraktiv sind, werden sie die Zeit überdauern; sind sie es nicht, muss ich das akzeptieren – ich werde mich aber gegen alle politischen Versuche stellen, hier Druck aufzubauen, der Männerbünden das Überleben schwermacht, und zwar um der Freiheit willen. Was wäre das für eine vermeintlich plurale und liberale Gesellschaft, in der unterschiedliche Freundschaftsbünde keinen Bestand mehr haben sollten!? In einer freiheitlichen Gesellschaft wird es keine Massenorganisationen geben, die einander mehr oder weniger gleichen, sondern eine Vielzahl an Vereinigungen, die sich in Größe, Tradition, Intensität, Ausrichtung und so weiter mitunter sehr deutlich unterscheiden – und das ist gut so. Hier vermeintlich eine historische oder politische Gerechtigkeit durchsetzen zu wollen, wäre nur um den Preis der Freiheit (und neuer Ungerechtigkeiten) möglich. Und dieser Preis ist mir zu hoch.

Wer sagt denn, dass Männernetzwerke von vornherein übermächtig und Frauennetzwerke von vornherein zahnlos sind!? Es gibt inzwischen Bereiche, in denen Karriereförderung von Frauen sehr viel effektiver geschieht – zulasten der Männer.

Ob Verbindungen auf Dauer Zukunft haben oder nicht, wird sich meines Erachtens nicht an der Geschlechterfrage entscheiden, weder hängt daran die Attraktivität des einzelnen Bundes noch das politische Überleben. Woran wir vielmehr arbeiten müssen, ist an der akademischen Kultur in unseren Verbindungen. Die Zukunft wird sich daran entscheiden, ob Verbindungen in der Lage sind, die besten Köpfe anzuziehen (was sich nicht immer an den Noten festmachen lässt), die geistig vital sind, eine akademische Kultur lebendig erhalten und ihrer akademischen Verantwortung gerecht werden. Nebenbei: Das gilt auch für Parteien – heute ist es keinesfalls mehr so sicher, dass es Parteien noch gelingt, die besten Köpfe anzuziehen, die dann auch für öffentliche Ämter und Mandate kandidieren.

Warum sollte nur ein Modell, das gemischter Bünde, „zukunftsgewandt“ sein? Wir haben schon so viele gesellschaftliche Visionen und Ideologien kommen und gehen sehen, die mit Vehemenz verteidigt wurden – und dann längst nicht das gehalten haben, was sie versprachen. In der Nähe von Bamberg gibt es ein Dorf, das seine alte Dorfkirche hat abreißen lassen – in der Grundsteinurkunde steht als Begründung, dass der Mensch des Atomzeitalters, mit dem sich alles verändere, auch neue Kirchengebäude brauche. War das „zukunftsgewandt“? In den vergangenen Sechzigerjahren, als man diese Urkunde geschrieben hat, ganz sicher. Und heute? Zum Glück haben nicht alle Dörfer ihre alte Baukultur damals niedergerissen.

Denn zum Glück funktioniert die freiheitliche Gesellschaft nicht nur nach einer „Spielregel“ für alle. Das macht gerade ihre Stärke aus. Und in einer Gesellschaft, die sich plural, tolerant und liberal dünkt, sollten auch Männerbünde nach ihren Spielregeln mitspielen dürfen – neben anderen. Ansonsten hätten wir es nur mit einer Pseudoliberalität zu tun. Ich hoffe, der Lassalle-Kreis bleibt ein Zusammenschluss, in dem unterschiedliche Arten und Formen von Verbindung weiterhin gut zusammenarbeiten, auch im unterschiedlichen Umgang mit der Geschlechterfrage.

Mit herzlichen, solidarischen und farbenbrüderlichen Grüßen

Dein Axel Bernd Z! Z!

Neunter Brief

Lieber Axel Bernd,

bitte erlaube mir ein paar Bemerkungen zu Deinen Ausführungen. Thema Mensur: Ja, vielleicht ist die Bereitschaft bei Frauen geringer, sich diesem Anachronismus zu unterwerfen. Wenn man die ursprüngliche Intention einer Ausbildung zum wehrhaften und allzeit bereiten, das Vaterland verteidigenden Studenten als Grund für die Mensur bei Studentenverbindungen heranzieht, kommt man schnell zu dem Schluss, dass Hieb- oder Stichwaffen in der heutigen Kriegsführung nicht relevant sind. Das dennoch das Mensurwesen aufrechterhalten wird, liegt an der Einfallslosigkeit der schlagenden Bünde, sich einen adäquateren Ritus aufzubauen. Man könnte also frech argumentieren, dass es dann die schlagenden Männer sind, die die Mitglieder zweiter Klasse sind. Wenn sich Verbindungen als verbindendes Element das Mensurenschlagen auswählen, halte ich das persönlich für ein Armutszeugnis. Was bitte schön hat das mit Freundschaft zu tun? Man fechtet ja nicht gegeneinander im Bund. Ich glaube, dass der Männerbund und auch das Mensurwesen in den kommenden Jahrzehnten zurückgehen werden.

Aus sozialdemokratischer Betrachtungsweise bleibt die Frage, ob Männerbünde überhaupt auf die politische Agenda gehören. Sie gehören es nur dann, wenn sie sich politisch äußern (was in der Regel nur vereinzelte Burschenschaften und auch nur manche Dachverbände machen), oder eine große machtpolitische und karriererelevante Rolle in Deutschland spielen. Haben die Verbindungsnetzwerke der Männerbünde eine marktbeherrschende Stellung, sind sie Vetospieler bei der Besetzung von Führungsposten und wirkt sich eine Mitgliedschaft förderlich auf eine Karriere in bestimmten Berufen aus? Wenn das der Fall ist, ist eine politische Forderung, allen Akademikern gleiche Chancen einzuräumen, legitim. Ob sie dann gesellschaftlich und schlussendlich juristisch durchsetzbar ist, steht auf einem anderen Blatt, daran müssen sich politische Forderungen nicht orientieren. Somit gilt es, zwei Dinge zu prüfen: Spielen Männerbünde innerhalb der Korporationswelt eine dominierende Rolle? Die Antwort ist: Ja. Und Zweitens: Haben Männerbünde bei Uniabsolventen und später beim Sprung ins Management, insbesondere was Karrieren und die Besetzung von Führungspositionen angeht, einen relevanten Einfluss in Deutschland?

Hierzu gibt es keine aktuellen soziologischen Untersuchungen oder valide Ergebnisse von Elitenforschern. Sicherlich ist einerseits der Grund für die fehlende Forschungsevidenz, dass korporative Netzwerke seit ehedem wenig transparent und für Außenstehende, hier Forschende, wenig einsehbar sind. Andererseits ist der Einfluss der Männerbünde zurückgegangen, weil es neue Netzwerke gibt: an der Uni selbst (Alumnivereine, andere Hochschulgruppen, Doktorandenseminare et cetera). Die Universität ist vielfältiger geworden. Für eine SPD-Parteikarriere ist sicherlich ein Engagement in der Juso-Hochschulgruppe karriereoptimierender als die Mitgliedschaft in einer Verbindung. Durch Online-Netzwerke wird man mehr mit Freunden und Kommilitonen vernetzt (Facebook) und schafft sich über Xing oder LinkedIn ein Berufskontaktnetzwerk. Neben Männerbünden gibt es auch Frauennetzwerke, die den Einfluss der Männer zurückdrängen. Neben den Netzwerken gibt es noch (gesetzliche) Vorgaben wie die Quotierung bei Führungsposten. Der Trend im Personalwesen, computergestützte Profilingwerkzeuge und aufwendige Assessmentcenter durchzuführen, schmälert den Einfluss der Männerbünde weiter. Dass insbesondere in den Human-Ressource-Abteilungen viele Frauen das Sagen haben, wird sich nicht immer zum Vorteil der Korporierten auswirken.

Die Schlussfolgerung für mich ist, dass der Einfluss der Männerbünde heutzutage zu gering ist, um ihn politisch als relevant einzustufen. Auch das nicht vorhandene wissenschaftliche Interesse zeugt von einer geringen gesellschaftlichen Relevanz. Ein vereinsrechtliches Vorgehen, welches Männerbünde schlussendlich verbietet, wäre also unverhältnismäßig. 

Der Wettbewerb um die besten Köpfe ist härter geworden. Welcher Student ist heute noch bereit, ein Semester für sein Seniorat zu opfern. Das haben 1995 noch die meisten in Kauf genommen. In den Verbindungen gibt es immer mehr Anträge in Conventen, man möge doch die Aktivenzeit um ein Semester zu verkürzen. Ich wage die Prognose, dass der Wettbewerb um die besten Köpfe nicht mit der Anzahl der Pflichtpartien gewonnen wird, eher mit akademischen Vorträgen und kreativen Semesterprogrammideen. Bei den beiden letzten Punkten sehe ich gemischte Bünde durchaus als wettbewerbsfähig und nachhaltiger aufgestellt.

Korporierte Sozialdemokraten sollten mit den unterschiedlichen Verbindungstypen  die Geschlechterfrage intern, innerparteilich und auch öffentlich diskutieren, von allen Seiten beleuchten und die verschiedenen Facetten herausarbeiten. Unsere Mitdiskutanten aus der Partei sollten sich aber auch dem Thema Männerbünde ergebnisoffen stellen.

 

Beste Grüße

Florian Z!

Zehnter Brief

Lieber Florian,

nun ja, den Mailwechsel könnten wir bald veröffentlichen – als Pro- und Kontradiskussion. Ich gehöre zwei nichtschlagenden Bünden an. Daher verfechte ich die Mensur nicht mit so viel Herzblut wie den Männerbund. Ich lehne die Mensur aber auch nicht so strikt ab, wie ich das zum Teil von Bundesbrüdern gewohnt bin. Ich halte die Mensur eher für eine langlebige Tradition, an der festhalten mag, wer es möchte – auch wenn ich selber doch lieber im akademischen Wortgefecht die Klingen kreuzen möchte. Es gibt andere „Erziehungsmittel“ als die Mensur.

In einem Punkt bin ich dann doch „unheilbar“ liberal: In den gesellschaftlichen Bereich sollte die Politik und auch eine Partei wie die Sozialdemokratie nur äußerst begrenzt eingreifen. Ob es Männerbünde weiterhin geben soll, hat sich im freien gesellschaftlichen Diskurs zu regeln. Dies würde auch dann gelten, wenn Männerbünde immer noch einen größeren politischen Einfluss hätten. Eine Gesellschaft verliert an Vitalität, Lebenskraft und Vielfalt, wenn wir den gesellschaftlichen Bereich nach politischen Ideen – welchen auch immer – zu steuern versuchten.
Zumal ich in einem Punkt einen deutlichen Unterschied in unserer beider Argumentationen sehe: Für mich sind Verbindungen in erster Linie akademisch orientierte, lebenslang angelegte Freundschaftsbünde – und als solche sollten sie nicht politisch als Karrierenetzwerke funktionalisiert werden. Das macht nicht die Mitte ihres Charakters aus. Freundschaftsbeziehungen entziehen sich aber der politischen Steuerung, dies mag auch vielfach der eigentliche Grund für die oft sehr aggressiv geäußerten Vorbehalte linker Korporationsgegner sein. Überall dort, wo es um geistig-sittliche Zwecke geht, eben auch Freundschaft, besitzen Staat und Politik nur eine geringe Wirksamkeit. Denn politisch gesteuerte Freundschaftsbande lösen sich als solche auf. Mag sein, dass viele solche Bande nicht mehr brauchen und sich lieber über soziale Netzwerke verbinden – das mag jedem selbst überlassen bleiben. Ich halte die sozialen Netzwerke im Web 2.0 für flüchtig und wenig tragfähig.

Freundschaftsbeziehungen unter Männern wie unter Frauen haben eine lange kulturhistorische Tradition – das reicht weiter zurück als bis ins neunzehnte Jahrhundert. Wir sollten dieses kulturhistorische Erbe nicht durch ein Übermaß politischer Steuerung gefährden, unsere spätmoderne Gesellschaft würde dadurch nicht lebenswerter.

 

Herzliche Grüße und alles Gute

Dein Axel Bernd Z! Z!

Elfter Brief

Lieber Axel Bernd,  

Wir haben andere Auffassungen bei der Gewichtung des Zusammenspiels von Freiheit und Gerechtigkeit.

Ich denke, dass es schon immer Anspruch und Aufgabe der SPD war, mit ihrer Politik in den gesellschaftlichen Bereich hineinzuwirken, also einzugreifen. Gemäß Deiner liberalen Herangehensweise gäbe es womöglich heute viele sozialdemokratische Errungenschaften wie Frauenwahlrecht, sozialen Wohnungsbau, kostenfreie Bildung, Elternzeit, Minderheitenschutz et cetera nicht. Die Gesellschaft hätte weniger Vitalität, Lebenskraft und Vielfalt, wenn sich nicht die SPD für den Wandel in der Gesellschaft eingesetzt hätte.

Freundschaftsbünde sollten nicht politisch als Karrierenetzwerke funktionalisiert werden, meinst Du. Dieser Meinung bin ich auch, solange wie sie sich selber nicht als solche definieren oder den Freundschaftsbund benutzen, um Frauen von Posten und Positionen trotz deren besserer Eignung fernzuhalten.

Nur weil Freundschaftsbeziehungen im Sinne von freiwilligen Zusammenkünften einer geschlechterhomogenen Gruppe unter Männern wie unter Frauen eine lange kulturhistorische Tradition haben sollten, sind sie noch lange nicht gefeit vor berechtigter Kritik, und es darf auch über Veränderung gesprochen werden.

Nach wie vor bemängele ich Dein Verständnis von Vielfalt. Mehr Vielfalt und ein besseres Angebot entstehen, wenn statt fünfundachtzig Prozent Männerbünden eben nur noch vierzig Prozent Männerbünde neben fünfundvierzig Prozent gemischten Bünden bestehen. Bei gemischten Corps, gemischten schlagenden oder konfessionellen Bünden kann ich mir noch viel mehr Vielfalt vorstellen, als diese in der heutigen Korporationswelt vorhanden ist.

Herzliche Grüße

Florian Z!

Zwölfter Brief

Lieber Florian,

vielen Dank für Deine Antwort.

Ja, Parteien dürfen in den gesellschaftlichen Bereich hineinwirken – keine Frage. Nur sind sie selbst Teil des gesellschaftlichen Bereiches. Meine Schwierigkeiten habe ich damit, wenn Parteien versuchen, den gesellschaftlichen Bereich zu steuern – im Sinne politischer Einheitskonzepte. Sozialer Wohnungsbau ja, solange es auch privaten Wohnungsbau gibt. Kostenfreie Bildung ja, solange es auch Privatschulen gibt. Frauenwahlrecht und Minderheitenschutz liegen für mich auf einer anderen Ebene: Hier geht es um formale Regelungen, die wichtig sind – allerdings muss auch beim Minderheitenschutz die Unterscheidung zwischen Toleranz und Akzeptanz gewahrt bleiben. Wir haben Vereinsgründungsfreiheit – das genügt. Hier bin ich dann tatsächlich ausgesprochen liberal – aber eine Volkspartei hat eben immer breite Flügel in verschiedene Richtungen.

Es geht nicht um das Zusammenspiel von Freiheit und Gerechtigkeit oder Gleichheit und Gerechtigkeit, sondern um das Zusammenspiel von Freiheit und Gleichheit – und das ist im gegenwärtigen politischen Diskurs meiner Meinung nach aus dem Gleichgewicht geraten, auch in der SPD. Ich stehe hinter dem Demokratischen Sozialismus – aber dieser hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass er Freiheit höher gewichtet hat als totalitäre, kommunistische oder andere Sozialismen am linken Rand.

 

Herzliche, farbenbrüderliche und solidarische Grüße

Dein Axel Bernd Z! Z!

Schlussplädoyers zum Streitgespräch "Männerbund: Quo vadis?"


Florian Boenigk, Politikwissenschaftler und PR-Manager, ist Bundesvorsitzender des Lassalle-Kreises. Er ist Alter Herr eines dachverbandsfreien, nichtschlagenden Männerbundes und aktives Mitglied der Berliner SPD:

Florian Boenigk

Bis zum Jahr 2050 werden sich viele Männerbünde entscheiden müssen, ob sie Frauen den Zugang gewähren oder die Verbindung vertagen beziehungsweise auflösen. Grund hierfür ist der unaufhaltsame gesellschaftliche Trend, Geschlechtergrenzen aufzulösen. Den Männerbünden stünde es gut zu Gesicht, sich kooperativ und progressiv diesem Trend zu stellen und sich nicht zu sträuben. Eine Weigerung gegen das Unvermeidbare wird Männerbünde gesellschaftlich isolieren und politisch angreifbar machen. Es bleibt zu hoffen, dass Männerbünde im einundzwanzigsten Jahrhundert ankommen und ihr Fundament ohne Geschlechtsmerkmale definieren.

 

 

 

Axel Bernd Kunze



Axel Bernd Kunze ist Erziehungswissenschaftler, Christlicher Sozialethiker und stv. Schulleiter, ist Mitherausgeber des Sammelbandes „Rote Fahne, bunte Bänder. Korporierte Sozial­demokraten“.
Er ist Alter Herr zweier christlicher, nichtschlagender Burschenschaften (eine davon verbandsfrei, die andere im Schwarzburgbund) sowie Mitglied im SPD-Ortsverein Waiblingen, früher aktiv in der Münsteraner und Bamberger SPD:

Freiheit ist ein hoher Wert und macht eine Gesellschaft lebenswert. Daher brauchen wir eine Kultur des rechten Maßes, die dem Einzelnen faire Chancen eröffnet, ihm aber auch zugleich denkbar weite Spielräume eröffnet, diese Chancen in Freiheit auszufüllen. In einer Gesellschaft, die ihre Freiheit bewahrt, wird es unterschiedliche Studentenverbindungen geben. Sie können Studierenden etwas bieten, was die spätmoderne, auf Berufsqualifizierung angelegte Massenuniversität immer weniger zu bieten vermag: eine starke, lebenslang angelegte Gemeinschaft Gleichgesinnter, die den Einzelnen sowohl stützt als auch ihm hilft, seine individuellen Fähigkeiten bestmöglich zu entfalten. Gemischte, reine Damen- oder reine Männerverbindungen werden als lebenslanger Freundschaftsbund dann attraktiv bleiben, wenn sie dies zu leisten vermögen. Es bleibt die persönliche Freiheit des Einzelnen zu entscheiden, welche Form von Gemeinschaft ihm emotional näher liegt.