Elfter Brief

Lieber Axel Bernd,  

Wir haben andere Auffassungen bei der Gewichtung des Zusammenspiels von Freiheit und Gerechtigkeit.

Ich denke, dass es schon immer Anspruch und Aufgabe der SPD war, mit ihrer Politik in den gesellschaftlichen Bereich hineinzuwirken, also einzugreifen. Gemäß Deiner liberalen Herangehensweise gäbe es womöglich heute viele sozialdemokratische Errungenschaften wie Frauenwahlrecht, sozialen Wohnungsbau, kostenfreie Bildung, Elternzeit, Minderheitenschutz et cetera nicht. Die Gesellschaft hätte weniger Vitalität, Lebenskraft und Vielfalt, wenn sich nicht die SPD für den Wandel in der Gesellschaft eingesetzt hätte.

Freundschaftsbünde sollten nicht politisch als Karrierenetzwerke funktionalisiert werden, meinst Du. Dieser Meinung bin ich auch, solange wie sie sich selber nicht als solche definieren oder den Freundschaftsbund benutzen, um Frauen von Posten und Positionen trotz deren besserer Eignung fernzuhalten.

Nur weil Freundschaftsbeziehungen im Sinne von freiwilligen Zusammenkünften einer geschlechterhomogenen Gruppe unter Männern wie unter Frauen eine lange kulturhistorische Tradition haben sollten, sind sie noch lange nicht gefeit vor berechtigter Kritik, und es darf auch über Veränderung gesprochen werden.

Nach wie vor bemängele ich Dein Verständnis von Vielfalt. Mehr Vielfalt und ein besseres Angebot entstehen, wenn statt fünfundachtzig Prozent Männerbünden eben nur noch vierzig Prozent Männerbünde neben fünfundvierzig Prozent gemischten Bünden bestehen. Bei gemischten Corps, gemischten schlagenden oder konfessionellen Bünden kann ich mir noch viel mehr Vielfalt vorstellen, als diese in der heutigen Korporationswelt vorhanden ist.

Herzliche Grüße

Florian Z!