Dr. Günter W. Zwanzig, ehem. OB von Weißenburg

Aufgewachsen bin ich bis zur politisch bedingten Flucht (1948) in Potsdam. Diese Stadt hat mich ebenso geprägt wie meine Familie; sie war eine spezifische Mischung aus Traditionsbewusstsein, „Aufsteiger-Mentalität“ und sozialem Engagement. Für letzteres stand vor allem die Schwester meines Vaters, Lisa Korspeter, schon vor 1933 Mitglied der SPD, besonders vor und nach 1945 ihren Überzeugungen treu bleibend und deshalb genötigt zur Flucht aus der damaligen SBZ. Ihr politischer Weg begann danach in Hannover, der damaligen Zentrale der SPD. Sie war u.a. Mitglied des Bundestages (1949 – 1969), Ehrenpräsidentin des Bundes der Mitteldeutschen als Dank für ihre Lebensleistung, die Integration der Sowjetzonen-Flüchtlinge. Als „Neffe von Lisa Korspeter“ lernte ich fast alle nach 1945 maßgeblichen Persönlichkeiten der SPD kennen. Dies war und ist für mich besonders wichtig, geht es doch um die Integrität und Glaubwürdigkeit der das Programm vertretenen Persönlichkeiten.

Als wir 1948 ebenfalls aus politischen Gründen aus Potsdam fliehen mussten und nach Mühlheim/Ruhr kamen, traf ich auf den mir bis dahin unbekannten politischen Katholizismus. Meine Tante bestärkte mich in der Meinung, dass der damalige Bundeskanzler die Wiedervereinigung gar nicht recht wolle, da wir Ostdeutschen ja überwiegend evangelisch und sozialdemokratisch orientiert seien. Begeistert hat mich deshalb Kurt Schumacher mit seiner klaren Haltung. Ich konnte ihn  im Wahlkampf auf der Tribüne des Mülheimer Rathauses in nächster Nähe erleben. Und genauso wurde ich in meiner Auffassung, die CDU/CSU würde nicht engagiert genug die deutschen berechtigten Interessen vertreten, bestärkt, als ich im Winter-Semester 1954/1955 in der Bonner Universität die Spitzenpolitiker der demokratischen Parteien an der Saar hörte. Für mich war die Behandlung der Saar-Frage, insbes. die spätere Aufnahme des sehr umstrittenen Johannes Hoffmann (CVP Saar) in die CSU genauso abstoßend wie die Reinwaschung zahlreicher ehemaliger Nationalsozialisten.

Für den Schwarzburgbund habe ich mich bewusst entschieden, da mir seine Werte am nächsten lagen. Ende der 1950er Jahre öffnete sich auch die SPD im Sinne des Godesberger Programms. Als nach dem plötzlichen Tod des Erlanger Oberbürgermeisters Michael Poeschke der langjährige Landtagsabgeordnete Peter Zink als Kandidat antrat, fragt ich ihn, was er von den Studentenverbindungen halte. Er erbat sich einen Woche Bedenkzeit und antwortete mir dann, Waldemar von Knoeringen habe ihm gesagt, „unter den Verbindungsstudenten gäbe es zahlreiche nette und anständige Kerle“. Von da (1959) ab arbeitete ich aktiv mit, zunächst beim Arbeitskreis sozialdemokratischer Akademiker sowie bei der Aktion „Gespräch mit Jedermann“, wobei ich Waldemar von Knoeringen persönlich kennenlernen durfte. Zum Eintritt in der SPD kam es allerdings erheblich später. Als ich im Kultusministerium als Referent für Naturschutz und Denkmalpflege Rheinland-Pfalz tätig war, sagte mit der damalige Landesvorsitzende der SPD, Jockel Fuchs, ich sollte mich noch in dieser Sache zurückhalten, da ich mir sonst beruflich schaden würde. Ich empfand das als sehr merkwürdig, er hatte aber sicher Recht. So ging ich erst 1969 zu Peter Zink (Erlangen), ließ mich in die SPD aufnehmen und arbeitete zugleich daraufhin mit dem SPD-MdL Reinhold Kaub den ersten Entwurf eines umfassenden Naturschutzgesetzes nach 1945 (Bayerisches Naturschutzgesetz, Entwurf 1970) aus, dem 1972 für die SPD der Entwurf eines Bayerischen Umweltschutzgesetzes folgte. Nach meiner Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Weißenburg (1972) hatte ich zahlreiche Begegnungen mit Wilhelm Hoegner und Hans-Jochen Vogel, die ebenso zu meinen großen Vorbildern gehören wie Waldemar von Knoeringen.

Konflikte mit Angehörigen der SPD wegen meiner Zugehörigkeit zum Schwarzburgbund habe ich kaum erlebt. Ich habe nie verschwiegen, dass ich ein begeisterter Couleurstudent war und bin. Die Ideale der Urburschenschaft, der Kampf für Menschenrechte und Demokratie, sind m.E. auch die Ideale der SPD. Möglicherweise habe ich dadurch wenig Angriffspunkte abgegeben, da der Schwarzburgbund nicht in die gängigen Schemata der Vorurteile passt. Allerdings musste ich auch feststellen, dass sich SPD-Mitglieder hinsichtlich der Korporationen gegen Extremisten in den eigenen Reihen nicht offen positionieren wollen. Erst im OB-Wahlkampf des Jahres 2014 in Erlangen, der für die SPD die Wahl eines Sozialdemokraten brachte, nahm man durchaus wohlwollend zur Kenntnis, dass auch Korporierte unseren Kandidaten wählten.

Wenn nun allerdings von den JUSOs sogar unser Lebensbundsprinzip hinterfragt wird, dann finde ich das befremdlich in einer Partei, die größten Wert darauf legt, die älteste demokratische Partei Deutschlands zu sein und bei welcher gerade die Ehrung langjähriger Mitglieder einen hohen Stellenwert hat.

Ich hoffe, dass es dem Lassalle-Kreis gelingt, falsche Vorurteile zu beseitigen und im Interesse der Festigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemeinsame Wege aufzutun.

Günter W. Zwanzig