Die preußische Provinz Schlesien und insbesondere ihre Provinzial-Hauptstadt Breslau sind ein bemerkenswerter Ort deutscher Geschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, weil man hier wie unter einem Brennglas die kommenden sozialen Umwälzungen mit den Auswirkungen der sich beschleunigenden Industrialisierung beobachten kann. Heutzutage ist kaum bekannt, dass Breslau im Jahr 1840 Großstadt wurde und für einige Jahre zur drittgrößten Stadt in Deutschland aufrückte (nach Berlin und Hamburg). In den 40er Jahren galt Breslau wegen seiner großen sozialen Probleme als das Manchester Preußens, die starke Tuchindustrie Schlesiens mit ihren überwiegend in Heimarbeit beschäftigten Webern litt unter dem Preisverfall infolge der weiterhin bestehenden quasi-feudalen Strukturen und des Wettbewerbs mit den ersten (englischen) mechanischen Webstühlen. Der Breslauer Gerhart Hauptmann hat dem Elend der schlesischen Weber in seinem sozialen Drama Die Weber ein Denkmal gesetzt wie auch in anderer Form, aber nicht minder eindrucksvoll der Dichter Heinrich Heine in seinem Gedicht Die schlesischen Weber (veröffentlicht 1844 im Vorwärts[1]).
Der schlesische Weberaufstand war nicht der größte in Deutschland, aber er war der erste öffentlich gemachte Hungeraufstand und darf in einiger Hinsicht als Wegbereiter der 48er Revolution gelten. Zu diesen Wegbereitern gehörten auch viele der in Breslau an der Universität Viadrina (1811 von Frankfurt/Oder nach Breslau verlegt) beheimateten Burschenschafter, vorneweg der Sohn eines erbuntertänigen Bauern Wilhelm Wolff, der „Kasemattenwolff“ [2], wie Lassalle Waffenstudent. Wolff war wegen Zugehörigkeit zu den Breslauer Raczeks, Majestätsbeleidigung, Verletzung des Presserechtes etc. zu einer mehrjährigen Haft auf der Festung Silberberg verurteilt worden (wie auch sein Mitgefangener Fritz Reuter).
[1] Vorwärts. Pariser Deutsche Zeitschrift, hrsg. als Wochenzeitung von deutschen Emigranten, 1844-45, ab Juli 1844 unter Mitarbeit von Karl Marx; das Weberlied von H. Heine erschien am 10. Juni 1844.
[2] Franz Mehring zufolge war es Wolffs „Artikel über die Kasematten in Breslau, der seinem Verfasser den Beinamen ‚Kasematten-Wolff‘ verschaffte“ (Mehring, Einleitung zu: Gesammelte Schriften von Wilhelm Wolff, Berlin 1909, S. 6). Der Artikel „Die Kasematten“ erschien in der „Breslauer Zeitung“ vom 18. 11. 1842 und ist auf S. 33 – 37 der Gesammelten Schriften von Wolff abgedruckt.