Vereinbarkeit durch ähnliche Grundwerte

Um dem Anspruch einer Volkspartei gerecht werden zu können, sollte die SPD mehr nach dem Verbindenden als nach dem Trennenden innerhalb ihrer Mitglieder suchen und sich auf ihre verbindenden Grundwerte von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität besinnen. Die Mitglieder des Lassalle-Kreises vereint die Überzeugung, dass die Sozialdemokratie und studentische Verbindungen ähnliche Grundüberzeugungen und Werte teilen.

Während ihrer Konstituierung und ersten Jahre nach 1863 orientierte sich die SPD bezüglich der inneren Organisation auch an Studentenverbindungen, da es noch keine Parteien und Vereine als Vorbilder gab. So war das Conventsprinzip der Verbindungen eine Blaupause für den Ablauf von Parteisitzungen und Parteitagen. Gerade die Convente - regelmäßige Mitgliederversammlungen der Studentenverbindungen - können noch heute als Lehrstuben für Basisdemokratie dienen. Das freie Reden und Debattieren lernt man dort. Andere mit Argumenten überzeugen, Gegenpositionen widerlegen, Mehrheiten schaffen – all das macht den Convent einer Studentenverbindung aus. Basisdemokratisch ist auch das Rotationsprinzip – jedes Semester werden alle Ämter neu gewählt – und die Verpflichtung aller, bei Bedarf selbst Amtsverantwortung zu übernehmen.

Verbindungsstudentinnen und -studenten und die SPD eint die Überzeugung, dass Bildung ein wichtiges gesellschaftliches Gut ist, das sowohl eine freie, moderne und demokratische Gesellschaft fordert als auch ein hohes wirtschaftliches Wertschöpfungspotential sicherstellt. Bildung dient nicht nur der Faktenvermittlung, sondern auch der Entwicklung einer Persönlichkeit mit sozialen Kompetenzen, Engagement für Mitmenschen und Solidargemeinschaft.

Persönliches Engagement und soziale Verantwortung sind in demokratischen Gemeinwesen wesentliche Grundlagen für eine funktionierende solidarische Gesellschaft. Viele Studentenverbindungen engagieren sich ehrenamtlich, ihre Mitglieder sind aktiv in gemeinnützigen Vereinen und Initiativen.

Das in den Studentenverbindungen geltende und praktizierte Lebensbundprinzip der Mitgliedschaft vom Eintritt bis zum Tod ist für viele Genossen und ihre Parteimitgliedschaft ebenso wichtig. Der SPD würde es gut tun, dieses Prinzip mehr zu beherzigen, denn der Austausch, der Dialog von Jung und Alt gilt in vielen Parteigremien als ausbaufähig. Als Teil des Lebensbundes wird in den Korporationen eine generationenübergreifende Solidarität gepflegt. Wie der Staat das Studium durch Bafög und Zuschüsse für Hochschulen unterstützt, so unterstützen in Verbindungen berufstätige Mitglieder die Studierenden. Verbindungen leben einen Generationsvertrag mit Erfolg vor. Die SPD täte gut daran, um korporierte Genossinnen und Genossen zu werben. Zwei Drittel der Mitglieder im Lassalle-Kreis haben oder hatten ein Parteiamt inne.

Das Ziel der gesellschaftlichen Gleichheit von Mann und Frau ist gerade in der Korporationsszene sehr anspruchsvoll in der Durchsetzung, und es bedarf hierbei in den meisten Verbindungen eines langen Atems. Der Lassalle-Kreis klammert folgerichtig das Thema Männerbünde nicht aus, sondern bringt es über die Dachverbände und bei Jahrestreffen auf die Agenda. Nichtsdestotrotz respektiert er die Vereinsfreiheit: Geschlechtshomogene Vereinigungen sind und bleiben ein Grundrecht. Gleichwohl gilt: Auch Korporationen müssen sich im 21. Jahrhundert dem gesellschaftlichen Wandel stellen. Über eine Öffnung der Verbindungen für alle Studentinnen und Studenten wird der Lassalle-Kreis ergebnisoffen diskutieren.